Rezension Rezension (5/5*) zu Vati: Roman von Monika Helfer.

ulrikerabe

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14. August 2017
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Wien
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Buchinformationen und Rezensionen zu Vati: Roman von Monika Helfer
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Mehr wahr als erfunden

Der Vater war ein kleiner Mann mit einer großen Liebe zu Büchern. Aus dem Krieg kehrte er verletzt zurück, ein Bein wurde ihm angenommen Fortan lebte er mit einer Beinprothese. Im Lazarett lernte er Grete kenne. Mit ihr gründete er eine Familie, leitete ein Kriegsversehrtenheim. Gretes Tod warf ihn aus der Bahn, die Kinder wurden in der Verwandtschaft verteilt.
Eines dieser Kinder ist die Vorarlberger Schriftstellerin Monika Helfer. „Vati“ ist ein Erinnerungsbuch, eine Annäherung an den Vater, eine Entfernung von der kindlichen Sicht.

„Alles kriegt seinen Namen erst hinterher – was Kindheit ist, was Kompliziertheit, Blödsinn, Ruhe, Undurchsichtigkeit…“

Einige Jahre nach dem Tod des Vaters befragte die Autorin die Stiefmutter, lässt sich von den vielen Geschwistern der früh verstorbenen Mutter erzählen. Monika Helfer hat sich Zeit gelassen, mit ihren Erinnerungen, gewartet mit dem Buch, dass niemand mehr da ist, den sie verärgern könnte.

„Wenn man einen Menschen ein Leben lang kennt, und erst spät erfährt man, wer er im Grunde ist, dann kann man das vielleicht schwer ertragen.“

Monika Helfer beschreibt ihre Kindheit, in der es einen mächtigen Einschnitt gibt. Aufgewachsen ist sie auf der Tschengla, einem Hochplateau in Vorarlberg, dem „Paradies“, in dem Kriegsversehrtenheim, das der Vater leitete. Nach dem Tod der Mutter ist auch der Vater fort, unfähig sich um seine Kinder zu kümmern.

Bei allem was die Autorin erzählt, wertet sie nicht, beschreibt, liefert Bruchstücke eines Lebens in sehr einfachen wirtschaftlichen Verhältnissen. Immer wieder kommt sie auf die große Liebe des Vaters zu Büchern zu sprechen. Bücher waren ein Heiligtum. Um eine Bibliothek zu retten, setzt der Vater einiges aufs Spiel. Die junge Monika verspürte damals den heftigen Wunsch, einmal ihren Namen auf einem Buchrücken zu sehen. Sogar der zukünftige Schwiegersohn musste beim Vater den richtigen Eindruck machen, wie er denn ein Buch zur Hand nimmt.

Auf wenigen Seiten schafft die Autorin ein feinfühliges Portrait der Nachkriegszeit. Wie es so ist mit dem Erinnern kommt sie auch vom damals ins heute. Auch die eigene Trauer um ihre viel zu früh verstorbene Tochter lässt sie spüren. Sie wiegt behutsam autobiografische Nähe und erzählerische Distanz ab. Ein ständiges Bemühen, nichts verloren gehen zu lassen. Ein Roman, mehr wahr als erfunden.


 

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