Rezension Rezension (5/5*) zu Vater unser von Angela Lehner.

ulrikerabe

Bekanntes Mitglied
14. August 2017
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Wien
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Evas Leben tobt

Eva Gruber wird eingeliefert in die Psychiatrische Abteilung des Wiener Otto Wagner Spitals. Auf eine Gruppe Kindergartenkinder soll sie geschossen haben. Das ist es jedenfalls, was sie erzählt. Dich warum ist Eva wirklich dort. Ist sie überhaupt verrückt, gehört sie zu „denen da drinnen“, oder will sie nur zu ihrem Bruder Bernhard, der im gleichen Spital wegen seiner nahezu tödlichen Magersucht behandelt wird.
Es sind viele Geschichten, die Eva erzählt, vor allem in den Gesprächen mit dem Psychiater Korb, aber auch mit Bernhard oder dessen Mitpatientin und Freundin Ariana. Von der Kindheit, den Depressionen des Vaters, der Bigotterie der Mutter, der Übermacht einer dysfunktionalen Familie. Dabei ist Eva so geschickt, manipulativ, grenzwertig, distanzlos. Eine unzuverlässige Erzählerin, wie nur was. Eigentlich muss man alles, was Eva erzählt in Frage stellen, schon als Kind war Lügen ein Ausweg für sie. Rebellion, Aufbruch, Zusammenbruch, Evas leben tobt bis zum totalen Realitätsverlust.
Wahnsinn und Normalität, Tragödie und Komödie reiben so nahe aneinander, das es sprüht. Eva kontert allen Lebenssituationen mit rotzigem frechem Wortwitz. Die Dialoge mit Korb, dem Psychiater, grenzen an Genialität. Das Krankenhaus am Rande der Stadt ist Mikrokosmos und Milieustudie zugleich. Bis zum Schluss kann man sich über Eva nie sicher sein
Angela Lehners Debüt Vater Unser hat mich voll und ganz überzeugt. Und nicht nur mich, immerhin ist das Buch auf der Longlist für den Deutschen Buchpreis 2019 sowie für den Debütpreis des Österreichischen Buchpreises nominiert


 

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