Rezension (5/5*) zu Tristania von Marianna Kurtto

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29. März 2022
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Mainz
Etwas brodelt im Verborgenen...

Tristania ist der Handlungsort des Romans von Marianna Kurtto. Es handelt sich um die abgelegenste Insel der Welt, die zur gleichnamigen Inselgruppe Tristania da Cuha des südlichen atlantischen Ozeans gehört. Sie ist klein und beschaulich; doch sind die Lebensbedingungen dort karg und rauh. Durch den Untermeerischen Schildvulkan brodelt es ständig. Ein einzigartiger Ort, der bereits für einige Romane den Schauplatz geliefert hat.


Im Mittelpunkt des Romans von Marianna Kurtto stehen insbesondere zwei Familien: Zum einen geht es um Lars, der als Fischer den Lebensunterhalt bestreitet. Er ist mit Lise verheiratet und sie haben einen gemeinsamen Sohn: Jon. Doch als Fischer zieht es ihn oft weit aufs Meer hinaus in die Ferne und Frau Kind bleiben dann alleine zurück. Bis dies eines Tages zum Dauerzustand wird: Lars verliebt sich in England in eine Blumenverkäuferin und kehrt nicht mehr heim. Zum anderen geht es um Martha, die Dorflehrerin, die mit Bert verheiratet ist. Das Ehepaar ist kinderlos geblieben. Irgendetwas scheint Martha in der Vergangenheit widerfahren zu sein, so dass auch sie - wie Lars - sich danach sehnt, der Insel den Rücken zu kehren. Ihr Vertrauen in die Inselbewohner wurde offenbar tief erschüttert.


Es geht zunächst um die Lebensbedingungen und das Miteinander der Inselbewohner. Doch im Jahr 1961 bricht eines Tages der Vulkan aus. Alle Inselbewohner müssen evakuiert werden. Lars Sohn Jon ist plötzlich unauffindbar. Durch dieses Geschehen werden die Karten neu gemischt: Als Lars von der Katastrophe hört, zieht es ihn in die Heimat zurück. Es wird schnell deutlich, dass es nicht nur im Erdinneren brodelt, sondern dies quasi symptomatisch ist für das Innenleben so mancher Insulaner. Auch bei ihnen brodelt es unter der Oberfläche, und plötzlich scheint es auch aus ihnen auszubrechen.


Diese Entwicklung hat die Autorin meisterhaft und in sehr poetischer und bildgewaltiger Sprache beschrieben. Gekonnt führt sie die Leserschaft aus Glatteis und überrascht am Ende mit einem Paukenschlag, der nachhallt und auch eine Warnung ist, eigenen stereotypen Wahrnehmungen nicht zu sehr zu vertrauen. Diese Wendung hat mich sehr berührt und zum Nachdenken gebracht. Insgesamt hat mir dieser atmosphärische und einzigartig erzählte Roman sehr gut gefallen, besonders da sich das unterschwellige Brodeln auf der Vulkaninsel im Innenleben der Protagonisten widerspiegelt. Mehr mag ich nicht verraten. Es ist eine Geschichte, die es selbst zu entdecken gilt: Unbedingt lesen!


 

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