Rezension (5/5*) zu Spiegel, das Kätzchen (Insel-Bücherei) von Gottfried Keller

münchnerkindl

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23. Februar 2022
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München
Dem Kater den Schmer abkaufen

Die Novelle bildet den Abschluss des ersten Bandes um die Leute aus Seldwyla.
Ein Kater, edel, freundlich, mit gutem Benehmen ist eins mit sich und der Welt. Er lebt sehr zufrieden bei einer schon älteren alleinstehenden Frau, solange bis diese stirbt. Von da an geht es bergab. Die Erben setzen ihn vor die Tür. Er kämpft nun ums Überleben und es ist jedes Mittel recht um an Nahrung zu gelangen und nicht zu verhungern. Seine edlen Charakterzüge schwinden in dem selben Maße wie auch sein Aussehen sich verändert. In seiner Not schließt er einen Vertrag mit dem Stadthexenmeister, in dem er ihm seinen Schmer(Bauchfett)verkauft. Als Bezahlung erhält er die feinsten Speisen und eine warme Unterkunft für die Zeit, die ihm noch bleibt. Als aber der Tag der "Abrechnung" da ist zieht der Kater alle Register um seinen Kopf zu retten.
Es ist äußerst kurzweilig zu lesen wie die Geschichte weitergeht.
Der schlaue Kater, der übrigens wegen seines glänzenden Felles "Spiegel " genannt wird erdenkt sich eine List. Mutig ist er und klug und man hofft der Plan möge aufgehen.
Ein schönes Märchen mit allem was dazu gehört. Schlauer Kater, gehörnter Zauberer, wunderschöne Hexe. Köstlich auch die Passage über die Qualitäten einer guten Hausfrau. Unbedingte Leseempfehlung.

 
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Die Häsin

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11. Dezember 2019
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Rhönrand bei Fulda
Danke für die Rezension einer meiner Lieblingsgeschichten! Ich halte Keller für einen Erzähler, er seinesgleichen sucht (seine Werke stehen bei mir ganz oben auf der Liste für die Insel) und "Spiegel" habe ich schon als Kind kennen gelernt. Im "Tagesspiegel" gibt es eine interessante Einführung zu der Geschichte, in der es u.a. heißt:

"Das Sinnieren gehört zu seiner (Spiegels) DNA, mehrmals weist Keller darauf hin, dass Spiegel ein Kater voller Vernunft und Philosophie ist. Die Märchennovelle „Spiegel, das Kätzchen“, die den Abschluss des ersten Bandes von Kellers „Die Leute von Seldwyla“ bildet (in diesem findet sich auch „Romeo und Julia auf dem Dorfe“) entstand nicht zuletzt unter dem Eindruck von Kellers Begegnung mit und der Begeisterung für den Aufklärer und Philosophen Ludwig Feuerbach. (...) So stehen sich hier der aufgeklärte Kater und ein Hexenmeister gegenüber, die Vernunft und das Irrationale, eingebettet in eine feine, streng der Novellenform gehorchende Groteske."

Quelle: siehe hier Das Kreuz mir dem Schmer (Link führt zu tagesspiegel.de). Aber erst die Geschichte lesen, dann den Artikel!
 
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münchnerkindl

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23. Februar 2022
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Vielen Dank für den Link. Den Beitrag habe ich gleich gelesen. Ich stimme mit dem Autor überein wenn er die Erählkunst Kellers und seine wundervolle poetisch-realistische Sprache lobt. Es macht einfach Spaß ihn zu lesen, mir wird es dabei ganz wohlig.
 
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Die Häsin

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11. Dezember 2019
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Rhönrand bei Fulda
Wir müssten eigentlich mal einen Keller-Vorschlag in die Klassiker-Leserunde werfen.
Ich halte Keller nicht nur für einen genialen Erzähler, der Einzelheiten und große Bögen meisterhaft dosiert, er ist auch ein einmalig guter Psychologe. Ich könnte endlos über ihn schwärmen!