Rezension (5/5*) zu So sterben wir: Unser Ende und was wir darüber wissen sollten von Roland Schul.

Emswashed

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9. Mai 2020
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Im Gedenken zum Jahrestag

Genau heute vor einem Jahr starb meine Mutter, fast genau 2 Jahre nach ihrer Diagnose. Diese 2 Jahre waren voller Hoffnung, Verdrängung und Wut, voller Termine, Pläne und Verzweiflung. Schließlich und endlich blieb meine Mutter daheim und starb. Meine Schwester hat sie gepflegt, ich habe sie so gut es ging dabei unterstützt, die letzten Nächte habe ich an Mamas Seite verbracht.

Meine Fragen, Ängste und Sorgen kamen erst nach der Beisetzung. Natürlich hätte ich fragen dürfen. Ärzte, Pfleger und der Bestatter forderten mich dazu auf, aber mein Kopf war leer, die Zeit hektisch. Im November 2019 kaufte ich mir dann "So sterben wir" und brachte es bis jetzt nicht fertig, es zu lesen. Ich scheute mich ein wenig vor der schonungslosen Wahrheit, die Bilder meiner Mutter im Pflegebett waren mir zu frisch im Kopf. Erst das Entrümpeln des Haushalts half mir, loszulassen.

Trotzdem hat es noch drei Bücher parallel zur Ablenkung gebraucht, um dieses eine zu lesen. Viele Tränen habe ich vergossen, bin aber froh und dankbar, es geschafft zu haben.

Das Buch unterteilt sich in drei Abschnitte, Sterben, Tod und Trauer. Wenn ich das Sterben hinter mich gebracht hätte, würden Tod und Trauer mich nicht mehr aus der Bahn werfen, so dachte ich. Aber all meine nichtgestellten Fragen wurden hier wieder hochgespült und ich musste mich damit auseinandersetzen.

Mit schlichten Worten geht der Autor ins Detail und beschränkt sich dabei nicht auf die Körperlichkeiten und medizinischen Möglichkeiten, sondern klärt auch die so kalt erscheinenden gesetzlichen und amtlichen Angelegenheiten, die zu beachten und einzuhalten sind. Aktuelle Gesetzesänderungen wurden mit eingearbeitet. Natürlich kann man sich auf die Profis in dieser Branche verlassen, aber es tut gut zu wissen, wo und wann man noch ein Mitspracherecht hat, welche Gestaltungsmöglichkeiten für das eigene Ende bestehen und was vielleicht noch alles zu bedenken ist.

Das Buch klagt nicht an, jammert nicht rum und schreit nicht populistisch durchs Medium. Es ist vielmehr eine hilfreiche Abhandlung über den letzten Weg in unserem Leben, der gerne verdrängt, aber doch bedacht werden will. Es ist hilfreich für die Hinterbliebenen, als auch für alle Ratsuchenden. Die Sprache ist ruhig, einfühlsam und tröstlich. Dezente Hinweise auf Grauzonen, geben einem das Gefühl, nicht hilflos ausgeliefert zu sein und mit Insiderwissen Fragen stellen zu können, die ehrliche Antworten erfordern.

Es ist keine leichte Kost, es geht unter die Haut und definitiv das erste Sachbuch, das mich sehr herausgefordert hat. Es gibt keine Listen, die abgehakt werden wollen, keine Hinweise, was man "abarbeiten" sollte, trotzdem baut dieses Buch ein strukturiertes Gerüst, das Halt in den Zeiten unseres Lebens bietet, in denen wir am verletzlichsten sind. Aber man sollte auch breit sein, es lesen zu wollen!

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