Rezension Rezension (5/5*) zu Schwarzrock von Brian Moore.

KrimiElse

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26. Januar 2019
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5.110
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buchmafia.blogspot.com
Kolonialisierung

Brian Moore hat mit seinem Roman „Schwarzrock“ ein sagenhaftes Abenteuerbuch geschrieben, das Einsichten in das Leben der indogenen Völker und der Missionare gleichermaßen erlaubt. Weit weg von Karl May- oder James Fenimore Cooper-Romantik beschreibt er in seinem bereits 1985 erschienenen Roman das harte Leben in der Mitte des 17.Jahrhunderts, als französische Jesuiten die Ureinwohner im heutigen Kanada missionierten. Es ist ein nüchtern geschriebener vollkommen ungewöhnlicher Blick auf die Kolonialisierung, der auf ausführlicher Recherche basiert und keine Partei ergreift, weder für die Seite der Huronen, Algonkin und Irokesen, noch für die der Missionare, sondern zeigt, wie unvereinbar die beiden Welten von Grund auf waren. Dass dies noch in eine äußerst spannende Abenteuergeschichte verpackt daher kommt, macht das Buch zu einem ganz besonderen Lesevergnügen.

Etwa in der Mitte des 17.Jahrhunderts macht sich der Jesuit Père Laforge mit dem jungen Übersetzer Daniel auf die beschwerliche Reise von Québec zur nördlich der großen Stromschnellen gelegenen Mission Ihonatria. Ein Fieber ist dort ausgebrochen, und die Wilden bezichtigen die dort ansässigen Schwarzröcke, sie hätten die tödliche Krankheit geschickt. Laforge begibt sich mit Jägern vom Stamm der Algonkin nach Norden, die auf dem alljährlichen Weg in ihre Winterjagdgründe sind. Daniel hatte sich in eine junge Algonkin verliebt und reist hauptsächlich wegen ihr mit.

Bereits zum Beginn der Reise prallen europäische und indianische Lebensweisen aufeinander, die Moore nüchtern und wertungsfrei darstellt. Essen und Völlerei ist das höchste Glück der Algonkin, Träumen und Visionen muss dieses Volk gehorchen, Sex wird von den jungen Frauen freigiebig verschenkt. Frauen werden ausgenutzt und von den Algonkin-Männern wie Hunde behandelt.
Authentisch beschrieben sind alltägliche Dinge wie das Jagen und Aufbauen des Wigwams, in dem alle gemeinsam schlafen, das Kochen und Essen, Ratssitzungen, Rituale und Zauberei.
Die sehr lebendigen Darstellungen der Lebensgewohnheiten der Algonkin, das halbgare ungewürzte Essen, die Gerüche beim Schlafen im Wigwam sind ungewohnt und beim Lesen manchmal mehr als rau. Schnörkellos und ohne Scham beschreibt Moore die Sexualität, die bei den Algonkin wie bei vielen anderen Naturvölkern auch den Stellenwert hat, einfach ein Bedürfnis zu befriedigen.

Der gefährliche Weg führt durch Gebiet der Irokesen, Feinde der Algonkin, und beim Zusammentreffen mit den Reisenden wird die Grausamkeit dieses Volkes mit seinem Feinden deutlich, von Folter bis zum rituellen Kanibalismus.
Schließlich landet Laforge in der Mission Ihonatria, findet den dortigen Père geschwächt und krank, den anderen getötet wie er es befürchtet hatte

Es sind die grundlegenden Lebensideen, die so unvereinbar und unterschiedlich sind, dass wenig Verständnis für die jeweils andere Seite aufgebracht werden kann. Die Indianer leben im Hier und Jetzt, auch wenn es grausam und beschwerlich erscheint, die Missionare fiebern dem Leben nach dem Tod im Paradies entgegen. Das verbaut Moore ganz wunderbar in Debatten über das Diesseits und das Jenseits, mit seinem Blickwinkel eines kritischen Katholiken:

„Die Sonne, der Wald, die Tiere. Das ist alles, was wir haben. Nur weil ihr Normannen taub und blind seid, glaubt ihr, dass diese Welt eine Welt der Dunkelheit und die Welt der Toten eine Welt des Lichts ist. Wir, die wir den Wald und die Warnungen des Flusses hören können, die wir mit den Tieren und Fischen reden und ihre Gebeine achten, wir wissen, dass dies nicht die Wahrheit ist.“

Die Überheblichkeit und das Überlegenheitsgefühl ist auf Seiten der Jesuiten ebenso zu finden wie bei den Wilden. Die Fremdheit, die die indigene Kultur auf die Europäer ausgeübt haben muss, vermag Brian Moore sehr authentisch und anschaulich darzustellen, in verschiedenen Lebenssituationen und in keiner Weise beschönigt und romantisiert.
Auf der einen Seite die Jesuiten, die zu jedem Sterbenden eilen, um Seelen zu ernten, mit ihrer spätmittelalterlich-europäischen Verklemmtheit unfähig, die ursprüngliche Lebensweise der Ureinwohner zu akzeptieren, aber dennoch nicht gefeit gegen die Verlockungen, die davon ausgehen. Auf der anderen Seite die Algonkin, mit ihrem fest verwurzelten Patriarchat, überheblich und unwillig den Normannen gegenüber, die sie als vollkommen lebensunfähig betrachten.

Am Ende beginnt der Jesuit Laforge an christlichen Zeremonien zu zweifeln, er betrachtet sie mit den Augen der Wilden:
„Die Hostien im Tabernakel waren Brot, verwandelt in den Leib Christi durch eine Zeremonie, die nicht weniger merkwürdig war als die Zeremonie der Wilden“
Doch er bleibt ein Kind seines Glaubens und seiner Erziehung und kann nicht wirklich aus seiner Haut, trotz beginnenden Verständnisses. Der Versuch, seine eigene Seele zu retten scheint gescheitert.

„Schwarzrock“, unter anderem basierend auf Berichten der damals missionierenden Jesuiten, ist ein brilliantes Buch, das Brian Moore schrieb, für mich fesselnd und lehrreich. Es ist kein glattes und sauberes Buch sondern fordert beim Lesen heraus, was ich überaus schätze.