Rezension (5/5*) zu Rote Sirenen von Victoria Belim

Federfee

Bekanntes Mitglied
13. Januar 2023
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Familienforschung auf dem Hintergrund d. ukrainischen Geschichte

In Kürze: Reichhaltiges Buch: Geschichte und Kultur der Ukraine, Familienforschung, Selbstfindung, Bedeutung des Erinnerns und der Familie

Nein, dies ist kein trockenes Geschichtsbuch, auch kein Roman. Eine Autobiografie? Eher ein autobiografischer Bericht, der die Nachforschungen einer jungen Frau über ihre ukrainische Familie beschreibt. Aufhänger ist die Suche nach einem verschwunden Großonkel, über dem ein Geheimnis zu schweben scheint, eine dunkle Wolke, denn niemand will darüber sprechen. Kein Wunder! Die Repressalien und die furchtbaren unmenschlichen Ereignisse der Stalinzeit, die Verfolgungen und Bespitzelungen im totalitären Sowjetsystem bleiben nicht ohne Folgen, auch nicht Jahrzehnte danach. Dieses und vieles andere ist mir durch dieses Buch klar geworden.

Die junge Victoria hat mit 15 Jahren die Ukraine verlassen, hat in den USA studiert und lebt mittlerweile mit ihrem Ehemann in Brüssel. Ihre geliebte Großmutter Valentina – der auch das Buch gewidmet ist - wohnt in der Ukraine, in einem kleinen Dorf in der Nähe von Poltawa, wo sie ihre ganze Energie auf ihren Gemüsegarten und die Kirschbäume verwendet. Von 2014 an besucht sie ihre Großmutter so oft sie kann, hilft ihr und versucht sie zum Reden über vergangene Zeiten zu bringen. Eine Rolle spielt dabei das ehemalige Hauptquartier des Geheimdienstes im 'Hahnenhaus' in Poltawa, das Haus mit den Sirenen, in dem sich jetzt ein Archiv befindet. Sie sucht aber auch Orte auf, wo ihre Vorfahren gelebt haben und versucht herauszufinden, was damals mit ihrem Großonkel Nikodim geschehen ist. Aber längst geht es nicht mehr nur um ihn, sondern überhaupt um die Familiengeschichte, die natürlich eng mit der ukrainischen Geschichte verflochten ist.

In diesem Zusammenhang erfahren wir vieles: nicht nur Geschichtliches, sondern auch Kulturelles: Gastfreundschaft, Gebräuche, Essen, das Sticken, das in der Ukraine immer noch eine große Rolle spielt u.v.m.

Zwar gab es in der Mitte einige Längen, aber im Ganzen ist es ein sehr anrührendes persönliches Buch, das auch klar macht, wie wichtig das Erinnern und die Familie ist.

Mir hat auch das anrührende Nachwort gut gefallen und wer sich für die Ukraine interessiert, dem kann ich das Buch empfehlen. Auf der Seite des Aufbau-Verlags gibt es ein Interview und einige persönliche Fotos:

 

otegami

Bekanntes Mitglied
17. Dezember 2021
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Vielen Dank für den Link! (Habe ich mir gleich angeschaut!) Ich freue mich riesig, dass Dir das Buch auch so gut gefallen hat! ;)
 
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