Rezension Rezension (5/5*) zu Raumpatrouille: Geschichten von Matthias Brandt.

Anjuta

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8. Januar 2016
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Buchinformationen und Rezensionen zu Raumpatrouille: Geschichten von Matthias Brandt
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Die Rolle des Kanzlersohns wird überschätzt, ist aber pointiert

In einem Interview sagte Matthias Brandt kürzlich so ungefähr, seine Vergangenheit als Kanzlersohn werde erheblich überschätzt, er hätte eben einfach nur einen Vater mit einem komischen Beruf gehabt. Wie komisch das aus der Sicht des Kindes ist, davon erzählt Matthias Brandt in seinem Erstlingswerk, dem Geschichtenband „Raumpatrouille“ (Kiepenheuer & Witsch 2016). Wir kennen Matthias Brandt bisher vorwiegend aus dem Fernsehen als vielbeschäftigten Schauspieler, der in viele Rollen schlüpft und schlüpfen kann. Hier in seinem Buch schlüpft er in die Rolle des kleinen Matthias, der seine Kindheit in einem Haus mit seinen Eltern (Willy und Rut Brandt) verbringt, in dem die bundesrepublikanische Zeitgeschichte einen ihrer Gestaltungsmittelpunkte hat. Die Kindheit von Matthias ordnet sich in diese Umwelt ein, was immer wieder zu pointierter Situationskomik führt. Etwa, wenn sein Vater sich mühsam und ungelenk auf ein Fahrrad zwängt für eine Fahrradtour mit seinem Sohn, deren eigentlicher Zweck ein Versöhnungsgespräch mit dem Kollegen Wehner sein soll. Normale Erfahrungen des kleinen Matthias, die jedes Kind dieses Jahrgangs (Ich bin eines davon ) wohl fest in seinem Erfahrungsschatz verankert hat (wie etwa Bonanza-Räder, Jingler Jeans, Mondlandungseuphorie) paaren sich in den Geschichten von Matthias Brandt mit dem Ungewöhnlichen des „Vaters mit dem komischen Beruf“. So wird Briefmarkensammeln zu allem anderen als einem Ausflug in fremde Welten und Abenteuer, wie eigentlich geplant:
<I><B>“Die meisten der darin befindlichen Stücke zeigen die Porträts der Bundespräsidenten Heinrich Lübke oder Gustav Heinemann, Graumänner, Leute, von denen zu Hause ohnehin die Rede war, die nebenan wohnten und die ich – schlimmer noch – kannte!“ </I></B>
Ein Übernachtungsausflug zu einem Schulkollegen in dessen Mietwohnung zum Wim Tölke-Abend wird zu einem Ausflug in die „behagliche Geschlossenheit einer Gedankenwelt, die ihn sofort einlullt“, da so abweichend von der häuslichen Erfahrungswelt.
Von der aus kindlicher Sicht geschilderten Spannung zwischen kindlicher Normalität und ständigem häuslichen Ausnahmezustand, in der das Kind aber für sich nur Normalität erkennen kann, leben die Geschichten in Raumpatrouille, schaffen eine pointierte Komik und zaubern dem Leser immer wieder ein tiefes Lächeln ins Gesicht.
Mein Fazit:
Matthias Brandt schafft es, den ganz eigenen Kosmos seiner Kindheit in den Siebziger Jahren zu vermitteln. Für den Leser schafft er damit ein kleines Stück Literatur, das sprachlich und inhaltlich mitnimmt und überzeugen kann.
Nachdem ich schon ein Fan von ihm als Schauspieler bin, hat er mich nun auch als Autor überzeugen können.


 
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