Als auf einem Berg oberhalb der Stadt Pompeji tote Vögel gefunden werden, hat der Zuwanderer Jowna alias Josephus alias Josse eine Eingebung: Wenn da wirklich ein Vulkan grollt, wie von manchen behauptet wird, sollte man das Weite suchen. Ohne Schulbildung, Geld und Einfluss gelingt es ihm, sich an die Spitze einer Aussteigerbewegung zu setzen.
Bald fürchtet das Stadtoberhaupt Fabius Rufus, die Vulkangerüchte könnten Pompeji schaden. Erst als sich ein paar wohlhabende Bürger für die Gründung einer neuen Siedlung zu interessieren beginnen, die in sicherer Entfernung am Fenster des Meeres liegt, schaltet sich Livia ein, die mächtigste Frau der Stadt.
Allmählich wird der Aussteiger Josse zum Aufsteiger. Seine Weggefährten mit ihrer Schwäche für Fliegenpilzsud und Philosophie werden ihm zur Last, die eigenen Ideen fangen an, ihn zu stören. Doch wie wirft man Überzeugungen über Bord, ohne seine Anhängerschaft zu verprellen? Wie macht man eine Kehrtwende, ohne sich zu drehen?
Eugen Ruges ›Pompeji‹ ist eine Erfindung, die auf geschichtlicher Wahrheit beruht und zugleich durch ihre Gegenwärtigkeit verblüfft: die Geschichte einer verhängnisvollen Verblendung im Vorfeld einer Katastrophe. Eine schillernde Parabel über Verführbarkeit, Verrat und Wahn.Kaufen
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Mein Hör-Eindruck:
Eugen Ruge entführt seine Leser in das Pompeji kurz vor dem Vulkanausbruch, und dieser drohende Ausbruch ist es auch, der das Buch strukturiert und die Handlung bestimmt.
Ein namenloser Erzähler liest Schriftrollen vor, die uns das Leben von Jowna, genannt, Josse, vorstellen: ein Junge aus einer Flüchtlingsfamilie der Unterschicht, dessen Vater sich nach seinem Bankrott zu Tode schuftet und dessen Mutter mit Korbflechten das Schulgeld für den Sohn erarbeitet. Was ihr dieser allerdings nicht dankt: er bricht die Schule ab, streunt herum und schließt sich einer Schlägerbande an – bis er eher zufällig auf den Vogelschutzverein trifft. Dieser Verein ist eine getarnte Gruppierung von aufmüpfigen Stadtbürgern unterschiedlicher Couleur; hier finden sich Epikureer, Kyniker, Platoniker, Pythagoräer und andere zusammen und debattieren die Lage.
Und hier trifft Josse auf einen Geologen und erkennt, dass Pompeji auf einem Vulkan erbaut worden ist und dass alle Anzeichen auf einen baldigen Ausbruch hindeuten.
Josse macht sich zum Anführer einer Aussteigergruppe, die die gefährdete Stadt verlässt und eine Neugründung am Meer beschließt, in der die Willensbildung in Form einer direkten Demokratie erfolgen soll.
Ab hier gerät Josse ins Visier der städtischen Gesellschaft und ihrer Politik, die den aufrührerischen jungen Mann als Gefahr begreifen.
Josse wird nun ein Wanderer zwischen zwei Welten: einmal der Aussteigerkolonie am Meer und auf der anderen Seite bekommt er Zutritt zu den Stadtpalästen der städtischen Aristokratie. Zugleich bekommt er Zugang zu den wirtschaftlichen Überlegungen dieser Aristokratie.
Ruge zeichnet ein erschreckendes Bild dieser Demokratie: ein Netz aus korrupten und ausbeuterischen Kapitalisten, deren Gott der Gewinn ist. Sie reden zwar von Moral und den römischen Tugenden, aber verbrämen damit lediglich ihr unsoziales Verhalten und ihre kapitalistischen Interessen. Auch die Priesterschaft ist Teil dieses Netzes und lässt sich gegen Geld instrumentalisieren.
Josse wird mit Sex und Luxusgütern in dieses Netz eingesponnen und erweist sich als korrumpierbar. Er ist ein politischer Wendehals, der der Versuchung der Macht nicht widerstehen kann und dank eines Rhetorik-Kurses seine neue Haltung demagogisch geschickt und glaubwürdig verkaufen kann.
Dem Leser wird ziemlich schnell klar, dass Ruge keinen historischen Roman um der Historie willen schreibt. Spätestens wenn Sätze fallen wie „Ich liebe euch doch alle“ wird klar, dass Ruge hier eine Parabel erzählt über Verführbarkeit und Ignoranz im Angesicht einer Katastrophe, und es bleibt dem Leser überlassen, wie er die Parabel auflöst.
Ruge macht durch seine Beschreibungen aus dem musealen Pompeji eine lebendige und farbige Stadt. Als Leser geht man mit seinen Figuren durch die Stadtpaläste und liegt mit ihnen zu Tisch, um Austern und Amseln zu verspeisen, man besucht das Forum und hört den Reden zu. Ebenso lebendig und detailliert zeichnet er seine Figuren, auch die Nebenfiguren, wobei einige seiner Figuren historisch bezeugt sind wie etwa Plinius der Ältere oder Julia Felix, eine Immobilien-Großbesitzerin.
Das Hörbuch wurde eingelesen von Ulrich Noethen, der perfekt den leicht ironischen und augenzwinkernden Ton des Erzählers trifft.
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