Rezension Rezension (5/5*) zu Phantome: Roman von Robert Prosser.

gudbuk

Neues Mitglied
19. September 2017
1
0
1
40
Sehr gut recherchiert, einfühlsam greift Phantome

Robert Prosser schildert kurz das Leben als Graffiti-Sprayer, und schildert dann ein fast vergessenes Kapitel der jüngeren Geschichte: Den Jugoslawienkrieg, der die letzte große innereuropäische Flüchtlingswelle in den 1990ern auslöste, dessen drastische Verbrechen bis heute nicht aufgearbeitet sind und weit in die Generation der Kinder der Geflüchteten nachwirken.
Anisa, eine Hauptfigur, flüchtet 1992 aus Sarajewo nach Wien. In den beginnenden ethnischen Säuberungen - auch das horrende Massaker von Srebrenica wird erwähnt - hat sie ihren Vater zurücklassen und unter Lebensgefahr fliehen müssen – und sie wird ihn auch später nie wiedersehen. Von ihrem Freund Jovan, einem bosnischen Serben, der zum Militärdienst eingezogen wurde, konnte sie sich genausowenig verabschieden.

Jahrzehnte später reist Anisas Tochter Sara auf den Spuren ihrer Mutter nach Bosnien-Herzegowina und ihr Sprayer-Freund, der sie dorthin begleitet, erschließt sich eine fast vergessene, aber in Bosnien allgegenwärtige Konfliktwelt und beginnt langsam zu reflektieren, was im Leben der Mutter seiner Freundin vorgefallen ist - welches natürlich das Leben, die Erfahrungen und die Hoffnungen so vieler Flüchtlinge heute - widerspiegelt.

Die Geschichte hat mehrere Teile und ist in verschiedenen Sprachstilen verfasst. Erst der coole Graffiti-Sprayer, dann die Geschichte Anisas mit ihrer Flucht den Erlebnissen im Flüchtlingslager sowie die Thematik in der Jetztzeit: die Beziehung von Anisas Tochter mit ihrem Freund. Ein ergreifender Roman, der auch die nötige Trockenheit besitzt mal faktisch zu erzählen: die Kriegsthematik: Serben, Kroaten, Vucic, Mladic - und dann wieder sehr einfühlsam zu schildern, zB. wenn Anisa über ihr Schicksal anhand von Museumsgemälden reflektiert.
Sehr gelungen!