Rezension Rezension (5/5*) zu Ozelot und Friesennerz: Roman einer Sylter Kindheit von Susanne Matthiessen.

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10. Mai 2020
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Buchinformationen und Rezensionen zu Ozelot und Friesennerz von Susanne Matthiessen
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Unterhaltsame Zeitreise ins Sylt der Wilden Siebziger

MEINE MEINUNG
In ihrem sehr unterhaltsamen Roman „Ozelot und Friesennerz“ widmet sich die deutsche Journalistin und Schriftstellerin Susanne Matthiessen den Erinnerungen an ihre bewegte Kindheit und Jugend auf Deutschlands beliebtester Ferieninsel Sylt.
Der Schreibstil der Autorin ist angenehm leicht, humorvoll und lebendig, so dass man sich mühelos auf diese Zeitreise der ganz besonderen Art nach Sylt begibt. In acht Kapiteln gewährt sie uns aufschlussreiche Einblicke in nachhaltig prägende Erlebnisse und teilweise sehr witzige Anekdoten aus ihrer außergewöhnlichen Sylter Kindheit während der wilden Siebziger Jahre. Auch wenn die geschilderten Episoden für Außenstehende bisweilen alles andere als „normal“ sondern eher verrückt und skurril wirken, basieren sie dennoch allesamt auf wahren Begebenheiten und waren teilweise für die damaligen Sylter Verhältnisse sehr charakteristisch. Teils humorvoll und teils sehr nachdenklich stimmend ist der facettenreiche Blick hinter die Kulissen, der auch sehr anschaulich die Schattenseiten der unter den Insulanern um sich greifenden Goldgräberstimmung und die Kehrseite des Wohlstands aufzeigt. Alljährlich im Sommer verwandelte sich die beschauliche Inselwelt unter dem gigantischen Ansturm der erholungssuchenden und vergnügungssüchtigen Touristen zum Nabel der Welt und das Leben der Sylter wurde ausnahmslos auf den Tourismus ausgerichtet.
Sehr authentisch und anschaulich bringt die Autorin uns das besondere Flair dieser Insel, das Alltagsleben auf Sylt während der 1970er Jahren und die einzigartige damalige Atmosphäre näher.
Gekonnt zeichnet Susanne Matthiessen das schillernde Portrait einer Insel, die für viele als der Sehnsuchtsort schlechthin galt – ein idyllisches Natur- und Ferienparadies an der Nordsee, ein angesagter Treff für die Haute-Volée, Stars und Sternchen, Politiker sowie den dekadenten Jetset aber auch florierende Hochburg für geschäftstüchtige Investoren.
In den unabhängig voneinander zu lesenden Geschichten kommt auch immer wieder das renomierte elterliche Pelzgeschäft in Westerland mit ihrem Vater Peida als leidenschaftlichem Kürschner, ihrer Mutter Telse als geniales Verkaufsgenie und Oma Ally als sich in alles einmischende Seniorchefin vor, weshalb jedes Kapitel schon im Titel Bezug auf eine besondere Pelzart nimmt, um die sich die geschilderten Ereignisse ranken.
In den Geschichten begegnet uns ein Panoptikum bemerkenswerter Menschen – neben vielen Prominenten lernen wir auch Sylter Unikate, zahlreiche Weggefährten der Autorin und natürlich auch ihre Familie und Verwandten kennen.
So erzählt die Autorin nicht nur eine sehr persönliche Geschichte, sondern lässt uns auch teilhaben an der wundervollen Illusion von grenzenlosem Reichtum und legendärem Wirtschaftswunder, die schließlich in dem gnadenlosen Ausverkauf und den schrittweisen, sehr schmerzlichen Verlust der geliebten Heimat mündete.
Ausgesprochen gut haben mir auch Prolog und Epilog gefallen, die als eine Art Rahmen fungieren, zwischen den ihre unterhaltsamen Sylter-Geschichten eingebettet sind und dem Ganzen noch eine besondere Note verleihen. Hierin wirft die Autorin einen aktuellen und sehr kritischen Blick auf die (Fehl-)Entwicklungen auf ihrer geliebten Insel, übt Kritik an der gegenwärtigen Sylter Lokalpolitik und führt uns den überaus schmerzhaften Verlust ihrer Heimat vor Augen.

FAZIT
Eine gelungene Zusammenstellung von höchst unterhaltsamen, aber auch sehr nachdenklich stimmenden Geschichten über eine „ganz normal verrückte“ Kindheit in den Siebzigern auf der Insel Sylt! Humorvoll, kurzweilig, authentisch, mit einem faszinierend scharfsichtigen Blick hinter die Kulissen! Eine sehr lesenswerte Geschichtsstunde und aufschlussreiche Zeitreise!

 
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