Rezension Rezension (5/5*) zu Mercy Seat: Roman von Elizabeth H. Winthrop.

ulrikerabe

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14. August 2017
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Wien
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Mercy Seat!


Es ist 1943 in Louisiana. Der junge Will Jones wurde wegen Vergewaltigung zum Tod durch den elektrischen Stuhl verurteilt. Das Urteil ist Unrecht, alle wissen es und niemand spricht es aus. Denn das vermeintliche Opfer war Wills Geliebte Grace, die Will nicht mehr helfen kann, die sich aus Verzweiflung umbrachte.
In Mercy Seat berichtet Elizabeth H. Winthrop vom Tag vor der Hinrichtung. Dabei hält sich die Autorin an eine wahre Begebenheit, die so oder so ähnlich stattgefunden hat.
Es ist nicht ungewöhnlich in den USA, auch heute noch, dass schwarze Männer für das gleiche Delikt schärfer bestraft werden, als weiße. Ungewöhnlich war, dass für Vergewaltigung die Todesstrafe verhängt wurde. Aber ungewöhnlich war auch, dass Will ein weißes Mädchen, Grace, liebte. Nicht ungewöhnlich war, dass man ihn dafür büßen ließ.
Der Rassismus ist allgegenwärtig in dem beeindruckenden Roman, verankert in den Köpfen wie ein umgekehrtes Menschenrecht. Elizabeth H. Winthrop schreibt feinfühlig, völlig ohne Pathos. Es sind viele Stimmen, die sie erzählen lässt. Da sind Dale und Ora, das Ehepaar betreibt eine Tankstelle. „Nur für Weiße“ steht dort, weil es dort schon immer stand. Ora vermisst schmerzlich ihren Sohn, der in den Krieg ziehen musste. Sie will keinen Unterschied mehr machen zwischen den Menschen.
Das sind der Bundesstaatsanwalt Polly, seine Frau Nell und sein Sohn Gabe. Polly hatte ganz besondere Gründe, das Urteil gegen Will zu erlangen. Da ist Hannigan , der Priester der sich um Will kümmert und Gott nichts mehr zu sagen hat.
Und natürlich ist da Will, der sein Schicksal akzeptiert hat, der sein Leben überdenkt, innerlich mit dem Geschehen abgeschlossen hat.
Mercy Seat ist auch eine Reise der Dinge. Der elektrische Stuhl, der von Angola nach St. Martinsville transportiert wird. Der Grabstein, den Wills Vater Frank nach St. Martinsville noch vor Mitternacht bringen muss. Jede Reise verändert, Dinge wie Menschen.
Mercy Seat hat einen ungewöhnlichen Schluss, aufwühlend, emotional nur sehr schwer erträglich. Ein neuer Tag kann beginnen, mit neuen Hoffnungen und Möglichkeiten. Ein neuer Tag mehr, um für Menschlichkeit, gegen Rassismus und die Todesstrafe einzutreten.



 
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