Rezension Rezension (5/5*) zu Mein heiliges Land: Auf der Suche nach meinem verlorenen Bruder von Michael De.

Momo

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10. November 2014
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Buchinformationen und Rezensionen zu Mein heiliges Land von Michael Degen
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Neugierig machendes Buch

Dieses Buch hat mir ebenso gut gefallen, wie die letzten drei Degen-Bücher auch, die ich bisher gelesen habe. Allerdings wurde es mir ab der Mitte hin etappenweise ein wenig langweilig. Innerhalb kurzer Zeit konnte der Bruder gefunden werden, Erlebnisse mit zuvor unbekannten Verwandten, deren Geschichten mir gefallen haben, bekam man zu lesen, doch dann kam die Phase, in der die Schauspielerei in den Fokus getreten ist. Das fand ich nicht wirklich spannend, schließlich bin ich nicht vom Fach. Es hätte gereicht, diese Art von Lebensspanne im Buch deutlich abzukürzen.

Doch zurück zur Hauptthematik; mich hat es schon immer mal interessiert, wie deutsche Juden, gezwungen durch den Nationalsozialismus, nach Israel ausgewandert sind, und wie sie ihr Leben dort eingerichtet haben. Wie leicht ist es ihnen gefallen, sich dort eine neue Heimat aufzubauen? Was ist mit der deutschen Identität; konnte sie abgelegt werden wie einen alten Hut? Es gab sehr viele Juden, die nur auf dem Papier Juden waren, ohne dass sie in Deutschland ihren Glauben zelebriert hatten.

Viele Antworten habe ich in dem Buch gefunden. Das ist das einzige Buch, das ich bisher dazu gelesen habe. Bekannt waren mir eher Zufluchtländer, wie z. B. Afrika, Amerika, Türkei … Aber nach Israel flüchten? Das, wie schon gesagt, ist das erste Buch, das ich darüber lese …

Das Buch ist einerseits sehr traurig, Michael trauert zusammen mit seinem Bruder um den durch die Nazis umgekommenen Vater, andererseits hat es auch viel Humor, und auch viel Weisheit, ohne diese hätten die deutschen Juden, die den Nationalsozialismus überlebt haben, nicht durchgestanden.

Mein Verdacht, der Titel Mein heiliges Land könnte ironisch gemeint sein, konnte nicht erhärtet werden. Die ersten Seiten haben mich dazu verleiten lassen, als der junge Michael, 17 Jahre alt, mit dem Schiff nach Israel einreist, um seinen Bruder Adolf zu suchen. Dort angekommen, wurde er von den Grenzbeamten festgehalten; sie wollten ihn gleich als Rekrut fürs Militär ausrüsten, für den Krieg gegen die Araber einsetzen. Er kam dann doch davon los, und die Erfahrungen im Landesinneren waren eher wohlwollend …

Michaels Vorstellung, dass Israel ein Land sei, in dem Milch und Honig fließen, wird von einem seiner Mitpassagiere auf dem Schiff ironisch behandelt, denn er möge gar keinen Honig; das fand ich recht humoristisch.

Interessant fand ich auch die komplizierte Beziehung, die Michael zu seiner Mutter hatte und man erfuhr erst viel später, weshalb die Mutter ihren minderjährigen Sohn so ganz allein nach Israel schickte ...

Recht nachdenklich hat mich auch gestimmt, mit wie viel deutschen Juden Michael in Israel zu tun bekam. So viele mit deutschem Namen, und sie sprachen alle die Landessprache mit deutschem Akzent. Oftmals konnte der deutsche Akzent nochmals eingegrenzt werden, z. B. jüdisch mit sächsischem, oder mit berlinerischem Akzent, etc. … Man spürte deutlich den Riss dieser Menschen in ihrer Identität.

Michael wundert sich, wie viele Juden er trifft, die blaue Augen haben, blonde Haare, und fragt, wie Hitler nur zu seiner Rassentheorie kam? Schließlich war er selber schwarzhaarig. Aber dies wurde von den Deutschen nicht hinterfragt. Noch heute bestehen stereotype Vorstellungen darüber, wie Menschen anderer Länder, SüdländerInnen, von AutorInnen beschrieben werden.

Michael bleibt länger in Israel, als ich geahnt habe. Er bewarb sich dort sogar am israelischen Theater. Er bestand sogar auch dort die Schauspielprüfung und bekam eine Stelle im Kammertheater.

Sein Bruder reiste nach Deutschland, um endlich seine Mutter wiederzusehen …

Ich möchte nicht noch mehr verraten und verweise auf das Buch.

Lesen werde ich demnächst das Buch Nicht alle waren Mörder.


Mein Fazit?

Auch wenn mich die Theaterszenen weniger interessiert haben, spürte man aber deutlich, dass diese dem Autor wichtig waren, darüber zu schreiben. Sie gehören immerhin zu seinem Leben, und ich fand es überhaupt toll, dass er die Schauspielprüfung sogar in einem fremden Land hat bestehen können. Das versuchte ich mir vorzustellen, wie schnell er die Sprache dort gelernt hat, und wie bemüht er war, seinen deutschen Akzent abzulegen. Weil dies alles zu Michael Degen gehört, bekommt das Buch von mir die höchste Punktzahl.

 
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