Rezension Rezension (5/5*) zu Maschinen wie ich von Ian McEwan.

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7. Juni 2017
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Buchinformationen und Rezensionen zu Maschinen wie ich von Ian McEwan
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Wer hat Angst vor Künstlicher Intelligenz?

Künstliche Intelligenz, Deep/Maschine Learning, Industrie 4.0, Robotik. Die Entwicklungen in der Informatik sind faszinierend und werden unser Leben bzw. die Vorgänge in der Arbeitswelt immer mehr prägen. So alt wie der Begriff Roboter ist auch die Frage nach dem Verhältnis zwischen intelligenten Maschinen und Menschen. Werden uns Roboter eines Tages beherrschen? Werden sie ein Bewusstsein ihrer Selbst entwickeln?

Ian McEwan hat zu diesen Themen einen intelligenten Roman geschrieben: "Maschinen wie ich - und Menschen wie ihr".
In diesem Roman befinden wir uns im Jahr 1982 - allerdings nicht im historischen 1982. McEwan erfindet eine alternative Vergangenheit. In dieser Vergangenheit wurde z.B. der Falklandkrieg verloren, Kennedy wurde nicht ermordet und vor allem starb das bekannte Computergenie Alan Turing nicht bereits in den 50er Jahren, sondern lebte und forschte weiter. Dadurch sind die 80er Jahre bei Ian McEwan technisch viel fortschritlicher als die "wahren" 80er Jahre. So sind bereits humanoide Roboter entwickelt, die man käuflich erwerben kann.

Charlie, ein 32-jähriger Londoner führt uns Leser nun hinein in den Alltag dieser Zeit. Er hat sich für viel Geld einen dieser fortschrittlichen Roboter gekauft. Es ist spannend zu lesen, wie Charlie den Roboter zunächst aufläd und dann individuell programmiert, da dass Adam - so heißen diese Robotertypen - langsam zum Leben erwacht. Adam wird Teil der Lebenswelt von Charlie, zu der auch seine Nachbarin Miranda gehört, mit der Charlie ein Liebesverhältins hat.

Mit jeder Begebenheit, die uns Charlie schildert, kommen wir Leser an die Grenzen unseres gewohnten Denkens. Wenn Adam für Charlie an der Börse spekuliert und dabei viel Geld verdient, wem gehört dann das Geld? Eigentlich Charlie, denn er ist ja der Eigentümer des Roboters. Adam scheint da allerdings anderer Meinung zu sein. Wenn Adam sagt, er liebe Miranda und wenn er für sie sogar Gedichte schreibt., hat er dann wirkliche Gefühle wie wir sie kennen? Hat er ein Bewusstsein? Intelligente Maschinen zwingen uns Menschen dazu, dass wir über unsere Moralvorstellungen und unser eigenes Bewusstsein nachzudenken.

Bald wird offensichtliche, dass Adam seinen eigenen Kopf hat. Es beginnt damit, dass er sich weigert, sich abschalten zu lassen. Immer mehr hat man beim Lesen das Gefühl, dass von einer Person und nicht von einer Maschine die Rede ist. Adam scheint in vieler Hinsicht Charlie überlegen zu sein und auch entsprechend zu handeln. Aber aus menschlicher Sicht gerät er doch an seine Grenzen. Adam kann nur rigide nach seinen einprogrammierten Regeln handeln. Notügen, Ambivalenzen kann er nicht verstehen. Gerade dadurch verursacht er aber viel Unglück bei "seinen" Menschen.
Um aber kein zu ausgeprägtes Überlegenheitsgefühl aufkommen zu lassen sei noch verraten, dass zumindest in McEwans Welt weiter geforscht wird, um die Roboter weniger rigide in ihren Entscheidungen , also noch menschenähnlicher zu machen. Wie sich das auf die Zukunft auswirkt bleibt offen. Allerdings hat Adam hierzu seine eigene Meinung, die nichts Gutes für uns Menschen verheißt.

Ian McEwan lässt seinen Ich-Erzähler Charlie (also nicht Adam wie der Titel nahelegt) in einem flüssigen, eloquenten und gebildeten Stil von dem spannenden Alltag mit Adam und Miranda erzählen. So entsteht ein Gefühl der Vertrautheit mit dieser eigentlich fremden Science- Fiction -Welt. Der Roman führt uns Leser geschickt in moralische Dilemmata, auf die es keinen einfachen Antworten gibt. Er bringt uns Leser auf unterhaltsame und spannende Art dazu, über künstliche Intelligenz, Roboterethik, und die Frage, was uns Menschen eigentlich ausmacht, nachzudenken.
Unbedingt empfehlenswert!


 

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