Rezension Rezension (5/5*) zu Long Bright River: Roman von Liz Moore.

Literaturhexle

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2. April 2017
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50.098
49
Spannender Pageturner vor realistischem Hintergrund

Mickey und Kacey sind Schwestern, die sich sehr auseinander entwickelt haben. Ihre Mutter ist relativ früh verstorben – an einer Überdosis. Laut Aussage der Großmutter gibt es auch den Vater nicht mehr. Die Großmutter hat die beiden Mädchen aus Verantwortungsgefühl übernommen und groß gezogen. Sie tat, was nötig war. Liebe, Fürsorge und Wärme gab es aber wenig, man lebte in bescheidenen Verhältnissen.

Mickey schafft es, diesen zu entkommen. Sie ist eine fleißige Schülerin, absolviert eine Ausbildung zur Polizistin mit dem Ziel eines Tages Detective zu werden. Kacey ist der soziale Aufstieg nicht gelungen. Sie ist mittlerweile drogenabhängig und besorgt sich die notwendigen Mittel durch Prostitution. Obwohl die beiden Schwestern seit mehreren Jahren nicht mehr miteinander gesprochen haben, überwacht Mickey den Straßenstrich und die Stellen, wo sich Kacey normalerweise aufhält. Als jedoch Mordfälle an jungen Frauen die Stadt erschüttern und zeitgleich Kacey nicht mehr zu finden ist, wird die Schwester unruhig und forscht nach, eine Aufgabe, die sie in dunkle Kreise führt.

Der Roman wird von Ich-Erzählerin Mickey erzählt. In der Gegenwart nimmt man Anteil an ihrem Leben als alleinerziehende Mutter, die zwischen Muttersein und Berufsalltag aufgerieben wird, zumal sie sehr hohe Ansprüche an sich selbst hat. Erschwerend hinzu kommt, dass sie in einer chauvinistischen Männerdomäne arbeitet und ihr Chef ihr nicht wohlgesonnen ist. Als Streifenpolizistin hat sie zudem ihren langjährigen Partner Truman verloren, mit dem sie vertrauensvoll zusammengearbeitet hat. In diesen Erzählstrang wird nun die spannende Suche nach dem Frauenmörder eingebettet. Es ist für Mickey offensichtlich, dass ihre Schwester ihm entweder schon in die Fänge geraten oder zumindest einer starken Gefährdung ausgesetzt ist. Sie ermittelt auf eigene Faust, geht Gefahren nicht aus dem Weg.

Auf einer anderen Erzählebene erfahren wir immer mehr über die Kindheit und Jugend der beiden Schwestern. Wir bekommen Einblick in die Familienbande, die prekären Lebensumstände ohne Perspektiven. Der Roman ist sehr authentisch in Kensington, einem sozialen Brennpunkt der Stadt Philadelphia, angesiedelt. Dadurch bekommt man einen intensiven Blick auf das arme Amerika, auf die sozialen Nöte, die geringe staatliche Unterstützung. Der Weg Kaceys ins Drogenmilieu ist tragisch und doch schlüssig nachvollziehbar.

Ich konnte diesen Roman kaum aus der Hand legen. Die Erzählebenen wechseln sich ab in „Damals“ und „Jetzt“, sie enden gerne mit einem Cliffhanger, so dass man wissen will, wie es weiter geht. Der Sprachstil hat mir sehr gut gefallen. Charaktere werden klar ausgearbeitet, ohne sich in gängigen Klischees zu verlieren, wie es häufiger bei amerikanischen Romanen der Fall ist. Der Verlag übertreibt nicht, wenn er das Buch als Kriminalroman und Sozialstudie zugleich bewirbt. Die Kombination ist wunderbar gelungen, man hat gleichermaßen Anspruch wie spannende Unterhaltung.

Empfehlen möchte ich sowohl Buch als auch Hörbuch, das von Victoria Schätzle wunderbar gelesen wird. Mit Long Bright River habe ich meine übliche Lese-Komfort-Zone verlassen – mit großem Erfolg. Mit Überzeugung vergebe ich 5/5 Lesesterne.


 
G

Gelöschtes Mitglied 2403

Gast
Ein wunderbares Buch und eine wunderbare Rezension! Danke dafür.

Das einzige, dass ich bemängelt habe, dass seine Partnerin so schnell an Truman gezweifelt hat. Wenn man so lange eng zusammen arbeitet, glaubt und vertraut man doch einander. Aber vielleicht sind Polizisten auch ein misstrauisches Völkchen. Maybe.
 
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Spannender Pageturner vor realistischem Hintergrund


Mickey und Kacey sind Schwestern, die sich sehr auseinander entwickelt haben. Ihre Mutter ist relativ früh verstorben – an einer Überdosis. Laut Aussage der Großmutter gibt es auch den Vater nicht mehr. Die Großmutter hat die beiden Mädchen aus Verantwortungsgefühl übernommen und groß gezogen. Sie tat, was nötig war. Liebe, Fürsorge und Wärme gab es aber wenig, man lebte in bescheidenen Verhältnissen.

Mickey schafft es, diesen zu entkommen. Sie ist eine fleißige Schülerin, absolviert eine Ausbildung zur Polizistin mit dem Ziel eines Tages Detective zu werden. Kacey ist der soziale Aufstieg nicht gelungen. Sie ist mittlerweile drogenabhängig und besorgt sich die notwendigen Mittel durch Prostitution. Obwohl die beiden Schwestern seit mehreren Jahren nicht mehr miteinander gesprochen haben, überwacht Mickey den Straßenstrich und die Stellen, wo sich Kacey normalerweise aufhält. Als jedoch Mordfälle an jungen Frauen die Stadt erschüttern und zeitgleich Kacey nicht mehr zu finden ist, wird die Schwester unruhig und forscht nach, eine Aufgabe, die sie in dunkle Kreise führt.

Der Roman wird von Ich-Erzählerin Mickey erzählt. In der Gegenwart nimmt man Anteil an ihrem Leben als alleinerziehende Mutter, die zwischen Muttersein und Berufsalltag aufgerieben wird, zumal sie sehr hohe Ansprüche an sich selbst hat. Erschwerend hinzu kommt, dass sie in einer chauvinistischen Männerdomäne arbeitet und ihr Chef ihr nicht wohlgesonnen ist. Als Streifenpolizistin hat sie zudem ihren langjährigen Partner Truman verloren, mit dem sie vertrauensvoll zusammengearbeitet hat. In diesen Erzählstrang wird nun die spannende Suche nach dem Frauenmörder eingebettet. Es ist für Mickey offensichtlich, dass ihre Schwester ihm entweder schon in die Fänge geraten oder zumindest einer starken Gefährdung ausgesetzt ist. Sie ermittelt auf eigene Faust, geht Gefahren nicht aus dem Weg.

Auf einer anderen Erzählebene erfahren wir immer mehr über die Kindheit und Jugend der beiden Schwestern. Wir bekommen Einblick in die Familienbande, die prekären Lebensumstände ohne Perspektiven. Der Roman ist sehr authentisch in Kensington, einem sozialen Brennpunkt der Stadt Philadelphia, angesiedelt. Dadurch bekommt man einen intensiven Blick auf das arme Amerika, auf die sozialen Nöte, die geringe staatliche Unterstützung. Der Weg Kaceys ins Drogenmilieu ist tragisch und doch schlüssig nachvollziehbar.

Ich konnte diesen Roman kaum aus der Hand legen. Die Erzählebenen wechseln sich ab in „Damals“ und „Jetzt“, sie enden gerne mit einem Cliffhanger, so dass man wissen will, wie es weiter geht. Der Sprachstil hat mir sehr gut gefallen. Charaktere werden klar ausgearbeitet, ohne sich in gängigen Klischees zu verlieren, wie es häufiger bei amerikanischen Romanen der Fall ist. Der Verlag übertreibt nicht, wenn er das Buch als Kriminalroman und Sozialstudie zugleich bewirbt. Die Kombination ist wunderbar gelungen, man hat gleichermaßen Anspruch wie spannende Unterhaltung.

Empfehlen möchte ich sowohl Buch als auch Hörbuch, das von Victoria Schätzle wunderbar gelesen wird. Mit Long Bright River habe ich meine übliche Lese-Komfort-Zone verlassen – mit großem Erfolg. Mit Überzeugung vergebe ich 5/5 Lesesterne.



Tolle Rezension... macht mal wieder Lust ;-)
Oh, meine Regale ;-)
Oh, mein Geldbeutel ;-)
 

Literaturhexle

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2. April 2017
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Auch hier sind die Rezensionen nicht mehr mit dem Buchcover verbunden.
Helmut hat das an anderer Stelle erklärt. Es gab einen technischen Fehler (Fachbegriff weiß ich nicht mehr). Helmut hat zahlreiche Rezis der letzten 2 Jahre wieder zugeordnet. Das kann er nicht für alle machen. Aber bei wichtigen Büchern gebe ich ihm immer einen Hinweis.
Über die Stichwortsuche kann man sie aber alle noch finden, wie du hier bewiesen hast :thumbsup
 
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