Juli wächst in einer Vorzeigefamilie auf: Die Eltern sind Rechtsanwälte, sie ist Klassenbeste. Doch in der Kleinstadtvilla herrscht das Grauen. Der Vater drillt die Kinder auf Leistung, prügelt sie und seine Frau. Juli wird älter, fordert ein Ende der Gewalt, deren Realität von der Mutter vehement abgestritten wird. Einzig ihre Geschwister und eine Maus geben Halt. Doch wie kann man sich befreien, wenn man weder den Eltern noch den eigenen Erinnerungen traut? Die Befreiung gerät zum Feldzug – gegen die Eltern und das eigene Ich. Drei Jahrzehnte folgen wir Juli, die mit aller Macht versucht, die Deutungshoheit über ihr Leben zu erlangen. Ein eindringlicher Roman über Verletzungen und eine mögliche Heilung, voller Originalität und Wärme.Kaufen
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Juli wächst als jüngstes von vier Geschwisterkindern in einer gut situierten Familie im Großraum Stuttgart auf. Die Eltern sind Rechtsanwälte, der Onkel Arzt, Juli hochbegabt und Klassenbeste. Doch der äußere Schein einer heilen Familienwelt trügt: Hinter verschlossenen Türen herrscht ein gewalttätiger Vater und Ehemann. Seine Launen sind unberechenbar; er prügelt, tritt, demütigt und droht. Die Mutter beschwichtigt, tröstet und setzt alles daran, den Schein aufrecht zu erhalten. Alle Familienmitglieder wissen, dass nichts nach außen dringen darf, was dem Ruf der Familie schaden könnte.
Wir lernen die 17jährige Juli im Jahr 2007 kennen, kurz nachdem sie einen psychischen Zusammenbruch erlitten hat. Die Eltern schicken sie zur Kur, enthalten ihr aber notwendige ärztliche und psychologische Hilfe vor, weil das Familiengeheimnis gewahrt bleiben muss. Die Rückblicke aus Julis Sicht sind erschütternd, zeigen die krankhaften emotionalen Abhängigkeiten und eingespielten Verhaltensmuster in dieser dysfunktionalen Familie.
Es folgen zwei Zeitsprünge ins Jahr 2014 und 2016. Juli ist nach Berlin gezogen und führt von außen betrachtet ein geregeltes Leben. Psychisch ist sie allerdings - wie auch ihr Bruder Bruno -äußerst labil.
Claudia Schumacher zeigt sehr eindringlich und komplex die psychischen Folgen von erlittener häuslicher Gewalt mit ihren selbstzerstörerischen Auswirkungen bis ins Erwachsenenleben hinein.
Der Fokus auf einer gebildeten, erfolgreichen, scheinbar heilen Familie, die durch ihren Status und ihren Einfluss bestens vertuschen kann, was hinter verschlossenen Türen geschieht, ist gut gewählt. Räumt das Setting doch mit einer häufigen Annahme auf, familiäre Gewalt gäbe es nur in armen oder ungebildeten Familien. Die Scham der Opfer stützt und verharmlost das System von Gewalt, verhindert eine Aufarbeitung des Erlittenen. Erschwerend kommt ein außerfamiliäres Umfeld hinzu, das für Anzeichen von Gewalt blind ist, wenn es um gut situierte Familien geht.
„Liebe ist gewaltig“ punktet nicht nur inhaltlich, sondern auch durch die sehr authentische und wortgewaltige Sprache, die sich im Laufe des Romans Julis Alter anpasst.
Schumacher findet starke Bilder für die emotionale Verfassung ihrer Protagonistin, aber auch für zwischenmenschliche Situationen.
Trotz der Schwere des Themas, konnte ich den Roman kaum zur Seite legen, habe jede Seite mit großer Anspannung und Interesse verfolgt. Die sprachlich sehr treffenden Bilder haben mich bewegt und begeistert. Claudia Schumacher ist ein großartiges, aufwühlendes, erschütterndes und kluges Debüt gelungen.
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