Die siebzehnjährige Finja Madsen ist nach einer Party nicht nach Hause gekommen. Es gibt keine Zeugen, keine äußeren Anhaltspunkte dafür, was mit ihr passiert ist. Die Ermittlungen stecken fest. Oberkommissarin Fariza Nasri vernimmt Personen aus dem Umfeld der Vermissten, darunter auch den Freund der Mutter, Stephan Barig. In dessen Haus hat die Party stattgefunden, während er das Wochenende mit zwei Bekannten auf dem Land verbrachte. Barig gibt gewissenhaft Auskunft. Nasri hört zu, stellt Fragen – und ist sich mit einem Mal sicher, dass der Mann lügt. Doch hat er wirklich etwas mit dem Verschwinden der jungen Finja zu tun, oder verbirgt er etwas ganz Anderes?Kaufen
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Fariza-Marie Nasri arbeitet bei der Mordkommission, man hat sie in die bayrische Provinz strafversetzt. Ihre erfolgreichen Verhörstrategien sind berühmt-berüchtigt, nicht alle Kollegen scheinen ihr jedoch wohlgesonnen zu sein. Der Roman beginnt mitten in einem solchen Verhör. Hintergrund: Die 17-jährige Finja ist nach einer Party verschwunden, die sie im Haus ihres Stiefvaters Stephan Barig feiern durfte. Eben jener wurde zur „informatorischen Befragung“ ins Präsidium geladen. Er macht sich durch Lügen verdächtig. Schnell ist zu spüren, dass er etwas zu verbergen hat.
In einem zweiten Handlungsstrang führt der Zufall eine völlig gebrochene Frau ins Visier der Polizei, die während eines Kneipenbesuches ausrastete und einen Mann krankenhausreif schlug. Die Geschichte dieser Frau ist schockierend und reicht weit in die Vergangenheit hinein. Als wäre das nicht genug, passiert auch noch ein brutaler Überfall in Nasris nächstem Umfeld. Natürlich hängt alles irgendwie zusammen und die Erkenntnisse lassen weder den Leser noch die Ermittlerin kalt.
Erzählt wird konsequent aus der Perspektive Nasris. Der Leser kann tief in ihre Gedanken eintauchen, erfährt viel über ihre Strategien, persönlichen Erfahrungen und Zweifel. Das erzeugt eine unglaubliche Nähe und Intensität beim Leser, denn die Ermittlerin selbst ist streitbar, hadert teilweise mit sich und der Welt. Sie hat Anzeichen einer handfesten Krise, zwingt sich aber durchzuhalten. Man muss sorgfältig lesen. Immer wieder wird die reine Handlung von den Reflexionen der Ermittlerin durchkreuzt, Berufliches und Privates vermischen sich. Allerdings auf eine sehr ausgefeilte und glaubwürdige Weise, es gibt keinen Platz für Gefühlsduselei.
Friedrich Ani verknüpft die verschiedenen Gewaltdelikte unglaublich geschickt zu einem packenden Ganzen. Zunächst legt er nur Fährten aus. Manche führen ins Nichts, andere ergeben nach und nach ein stimmiges Bild. Seine Figuren haben psychologische Tiefe, sie sind in keiner Weise plakativ. Insbesondere gilt das für Nasri, die keine Super-Ermittlerin ist, sondern eine zweifelnde, komplizierte und unvollkommene Frau. Trotzdem ist sie eine Sympathieträgerin, sie ist glaubwürdig. kompetent und setzt alles daran, den Opfern Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Ihr Ziel ist es, die Täter zur Rechenschaft zu ziehen. Dafür ist sie auch bereit, ihre Kompetenzen zu überschreiten.
Der Roman führt in die dunkelsten Zonen einer spießig-bürgerlichen Gesellschaft. Es geht um sexuelle Gewalt an Frauen und Mädchen, um Doppelmoral, Bigotterie, um den fehlenden Schutz der Betroffenen, um die lebenslangen Nachwirkungen solch schlimmer Erlebnisse, den (Nicht-) Umgang mit Schuld, um das Ausnutzen männlicher Macht. Das alles wird auf gekonnte Weise in diesem Roman verwoben. Auf Anis Schreibstil muss man sich einlassen, er ist anspruchsvoll, nüchtern und mit Tiefgang. Für mich war „Letzte Ehre“ ein absolutes Highlight. Große Lese-Empfehlung!
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