Rezension Rezension (5/5*) zu Kleines Land: Roman von Gaël Faye.

G

Gelöschtes Mitglied 2403

Gast
Völkermord ist ein schwarzer Sumpf, wer nicht darin untergeht, i

Gael Faye kann schreiben, trotz der Übersetzung ist dieses Spiel mit den Wörtern noch merkbar, zieht den Leser in seinen Bann. Dieser Tanz mit den Wörtern ist eine Wohltat, besonders nach dem vorigen Buch. Dieses Spiel mit der Sprache gefällt, füllt aus, trotz diesem furchtbaren Thema.


Gael Faye erzählt hier auch von seiner eigenen Kindheit in Burundi, er ist Sohn eines französischen Vaters und einer ruandischen Mutter. Er wurde 1982 in Bujumbura geboren, also nach den meisten Unruhen in seinem Land. Hier in diesem Buch erzählt er von Gabriel, Gaby, dessen Alter mit dem des Autors übereinstimmt, der mit seiner Schwester Ana und seinem französischen Vater Michel und seiner ruandischen Tutsi Mutter Yvonne in Bujumbura in Burundi lebt. Der Vater ist Bauunternehmer und die Mutter ist Tutsi-Flüchtling aus Ruanda, wird in Burundi geduldet, ist nach einem Pogrom Anfang der 60er Jahre nach Burundi geflohen. Der französische Vater wird hier als ignorant beschrieben, der sich mit den geschichtlichen Zusammenhängen im Zwischenseengebiet(Gebiet zwischen Victoriasee, Edwardsee, Kivusee und Tanganjikasee) nicht auskennt und auch keinen Willen dazu erkennen lässt. Auch die Kinder werden weder geschichtlich noch politisch aufgeklärt, weshalb sie den herrschenden Konflikt zwischen Tutsi und Hutu nicht verstehen, es etwas spielerisch/kindlich/naiv an der Größe der Nase festmachen. Die Eltern haben sich außerdem auseinandergelebt, dass voneinander Angezogensein/Verliebtsein ist verschwunden, die Konflikte fressen sie auf und die Kinder beobachten das angstvoll und hoffen auch auf einen wieder einkehrenden Frieden zwischen den Eltern. Dann bricht 1994/1995 von Ruanda ausgehend das Grauen auch über Burundi herein.


Geschichtlich sollte man dazu wissen, im Zwischenseengebiet kam es in historischer Zeit zu größeren Einwanderungswellen von Menschen des äthiopiden Typus (schlanker Wuchs,extreme Körpergröße), die dann im 13. und 14. Jahrhundert die Herrscherschicht in den verschiedenen Staaten (Ankole,Bunyoro,Ruanda,Burundi) der bisher hier lebenden Stämme des negriden Typus bildeten und auch deren Sprachen übernahmen. Die europäischen Eroberer haben sich teils mit der bestehenden Herrscherschicht gutgestellt und oftmals behielt diese Herrscherschicht später auch einen Teil der Macht. Wobei es in der langen Zeit des nebeneinander Wohnens der Bevölkerung mit negriden und äthiopiden Typen auch zur Vermischung untereinander kam, was es auch den Europäern schwer machte zu verstehen. Der Konflikt zwischen beiden Bevölkerungsgruppen war daher schon lange da und brach immer wieder in heftigen Massakern aus, wobei beide Bevölkerungsgruppen zu den Opfern zählten. Die Europäer zeichneten sich leider im Konflikt 1994/1995 meistens durch extremes Wegsehen aus, was Ihnen übelgenommen wurde.


Was dieses Buch hier anschaulich darstellt, ist wie schnell jeder Beteiligte in dieser Gewaltspirale und diesem Hass enden kann, erschreckend schnell. Und ebenso erschreckend ist, was dieses Grauen mit den Menschen macht, dazu muss man sich vor Augen führen, dass diese Hutu-Milizen mit Macheten bewaffnet durch die Tutsi-Gebiete zogen und die Menschen mit diesen zerstückelten. Grauenhaft!

 

Literaturhexle

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2. April 2017
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Ich habe mich bis jetzt nie für dieses Buch interessiert, dachte, es schwimmt auf der Geschichten-über-Flüchtlinge-Welle mit...
Fehlanzeige! Es scheint weit mehr zu beinhalten.
Danke für deine informative Rezension! Renees Best behalte ich auf alle Fälle im Auge :)
 

Renie

Moderator
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19. Mai 2014
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Essen
renies-lesetagebuch.blogspot.de
Eine schöne Rezension, die bei mir Erinnerungen weckt :)

Ich habe mich bis jetzt nie für dieses Buch interessiert, dachte, es schwimmt auf der Geschichten-über-Flüchtlinge-Welle mit...
Fehlanzeige!
Falsch gedacht ;) Nix ist mit Flüchtlingswelle. Das Buch hat mich umgehauen. Hier ist mein Fazit zu diesem Buch:
"Kleines Land" ist ein Buch, das mich durch die Intensität der Gefühle, die vermittelt werden, gefesselt hat. Der Autor Gaël Faye schafft es, Unbeschwertheit und Traurigkeit miteinander in Einklang zu bringen. Es gibt Passagen in diesem Roman, die liest man mit einem Lächeln. Andere wiederum machen tief betroffen. Ein großartiges Buch, das ich gern weiterempfehle.
Unbedingt lesen!!!!!