Rezension Rezension (5/5*) zu Kind aller Länder: Roman von Irmgard Keun.

Daphne1962

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23. Mai 2020
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Eine Flüchtlingsgeschichte

Kurzmeinung: Eines der schönsten Erzählung, die ich gehört habe. Was haben Kinder für ungewöhnliche Sichtweisen in ihrer Unbedarftheit. Die Beobachtungsgabe von Kully ist allerdings unbeschreiblich phantasievoll. Diese Autorin sollte ein versierter Leser unbedingt kennen.

Kully ist 10 Jahre alt und heimatlos. Ihr Vater ist Schriftsteller und aus Deutschland geflohen, er ist recht leichtsinnig im Umgang mit Geld und ein Charmeur, der sich mehr Geld zum Überleben leiht, als er zurückzahlen kann. Kully und ihre Eltern leben hauptsächlich in Hotels und sind gezwungen häufig das Land zu wechseln. Deshalb kennt sich Kully auch mit Wechselkursen und Länderwährungen besser aus, als
mit Geschichte über Könige und Feldherren. Sie lernt schnell, wie man mit einer Mahlzeit am Tag auskommen muss und kann mehrere Sprachen sprechen.

Irmgard Keun (1905-1982) kannte das häufige Umziehen von Stadt zu Stadt schon aus ihrer eigenen Kindheit. Ihre Schauspielkarriere verlief mäßig und so kam sie dann zum Schreiben. Sie umgab sich schon früh mit Schriftstellern und heiratete dann auch einen Regiesseur und Autor. Mit 2 Romanen feierte sie großen Erfolg. Das kunstseidene Mädchen und ihr Erstlingswerk Gilgi, eine von uns. Obwohl sie keine Jüdin war, wurden ihre Bücher 1933/34 beschlagnahmt und sie ging 2 Jahre später ins Exil erst nach Ostende (Belgien) und später in die Niederlande. Zu ihrem Freundeskreis gehörten u.a. Egon Erwin Kisch, Stefan Zweig und Heinrich Mann. Joseph Rot wurde einer ihrer Liebhaber. Genau dieser Joseph Rot ist wohl die Person, die Kullys Vater darstellt. Im Abspann des Hörbuchs referieren ein Literaturkritiker Weidermann und ein Moderator von einem Radiosender über Irmgard Keun und auch ihrer Beziehung zu Joseph Roth. Das alleine ist schon interessant und hörenswert, nachdem man dieses Buch gehört hat.

Ich kann es nur jedem Leser wärmstens empfehlen. Auf jeden Fall werde ich dieses Hörbuch bei Gelegenheit noch einmal hören.

 
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RuLeka

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Eine Flüchtlingsgeschichte


Kurzmeinung: Eines der schönsten Erzählung, die ich gehört habe. Was haben Kinder für ungewöhnliche Sichtweisen in ihrer Unbedarftheit. Die Beobachtungsgabe von Kully ist allerdings unbeschreiblich phantasievoll. Diese Autorin sollte ein versierter Leser unbedingt kennen.

Kully ist 10 Jahre alt und heimatlos. Ihr Vater ist Schriftsteller und aus Deutschland geflohen, er ist recht leichtsinnig im Umgang mit Geld und ein Charmeur, der sich mehr Geld zum Überleben leiht, als er zurückzahlen kann. Kully und ihre Eltern leben hauptsächlich in Hotels und sind gezwungen häufig das Land zu wechseln. Deshalb kennt sich Kully auch mit Wechselkursen und Länderwährungen besser aus, als
mit Geschichte über Könige und Feldherren. Sie lernt schnell, wie man mit einer Mahlzeit am Tag auskommen muss und kann mehrere Sprachen sprechen.

Irmgard Keun (1905-1982) kannte das häufige Umziehen von Stadt zu Stadt schon aus ihrer eigenen Kindheit. Ihre Schauspielkarriere verlief mäßig und so kam sie dann zum Schreiben. Sie umgab sich schon früh mit Schriftstellern und heiratete dann auch einen Regiesseur und Autor. Mit 2 Romanen feierte sie großen Erfolg. Das kunstseidene Mädchen und ihr Erstlingswerk Gilgi, eine von uns. Obwohl sie keine Jüdin war, wurden ihre Bücher 1933/34 beschlagnahmt und sie ging 2 Jahre später ins Exil erst nach Ostende (Belgien) und später in die Niederlande. Zu ihrem Freundeskreis gehörten u.a. Egon Erwin Kisch, Stefan Zweig und Heinrich Mann. Joseph Rot wurde einer ihrer Liebhaber. Genau dieser Joseph Rot ist wohl die Person, die Kullys Vater darstellt. Im Abspann des Hörbuchs referieren ein Literaturkritiker Weidermann und ein Moderator von einem Radiosender über Irmgard Keun und auch ihrer Beziehung zu Joseph Roth. Das alleine ist schon interessant und hörenswert, nachdem man dieses Buch gehört hat.

Ich kann es nur jedem Leser wärmstens empfehlen. Auf jeden Fall werde ich dieses Hörbuch bei Gelegenheit noch einmal hören.


Mir gefällt der Ton, in dem Irmgard Keun schreibt und liebe ihre Bücher. „ Das kunstseidene Mädchen“ ist mein Lieblingsbuch von ihr. Eine Autorin, die immer mal wieder vergessen und dann neu entdeckt wird.
 
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Daphne1962

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Gilgi nehme ich mir als nächstes vor. Gut, dass man sie nicht vergessen hat. Es war so wunderbar erzählt, man ist einfach nur begeistert davon.
 

Daphne1962

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Was ist das denn nun für ein Buch? Teilbiographie plus Erzählung?
Es ist eine Flüchtlingsgeschichte um ein Mädchen. Sie hat wohl ihre eigenen Erfahrungen mit eingebracht, aber Kullys Vater soll ihr Geliebter Eugen Roth darstellen. Sie vermischt biografisches mit den Romanen.
Aber wie sie erzählt aus der Sicht eines Kindes ist einfach so gelungen.
Sie benutzt so schöne Worte, die man einfach in sich aufnehmen muss.
Aber Teilbiografie ist schon richtig formuliert, denke ich mal. Geschickt verpackt in eine phantasievolle Erzählung.
 
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