Rezension Rezension (5/5*) zu Kim Jiyoung, geboren 1982: Roman von Nam-Joo Cho.

Wandablue

Bekanntes Mitglied
18. September 2019
9.705
22.131
49
Brandenburg
Die verheizte Frau. Das politische Buch 2021.

Kurzmeinung: Muss man lesen!


Es geht in dem Roman von Cho Nam-Joo, kurz gesagt, um die karge Skizze eines Frauenlebens, das durch höchsten Fleiss, Talent und Anpassung von Anfang an auf Erfolg getrimmt ist.

Eigentlich. Denn dieser Erfolg schlägt nie zu Buche, denn die Frauen Koreas werden in der patriarchalisch ausgerichteten Gesellschaft vom Kleinkindalter an bis hin zum reifen Frauenleben einer ständigen Diskriminierung ausgesetzt. Die Bevorzugung der Männer durchläuft alle Institutionen. Beruflich wie familiär tragen die Frauen die überwiegenden Lasten der Gesellschaf, jedoch ohne dafür entsprechend honoriert zu werden. Das Ergebnis sind frustrierte und kranke Frauen.

Die Autorin arbeitet an ihrer Protagonistin alle denkbaren, beziehungsweise sämtlich beobachteten Missstände der koreanischen Gesellschaft ab. Vor allem im letzten Teil des Buches, als Frau Kim zwecks Familiengründung vorübergehend aus dem Berufsleben ausscheidet, schüttet Cho Nam-Joo alles, was überhaupt schief laufen kann über Jiyoung aus. Für eine Romanfigur ist das zuviel des Guten, es wirkt unglaubhaft und unauthentisch. Aber Jiyoung ist keine normale Romanfigur. Sie ist eine politische Figur. Sie ist ein Zeigestock. Da, da, da und da! Schaut hin. So ist es wirklich. Wacht auf. Lasst euch nicht länger einlullen.

Der berufliche Wiedereinstieg nach Elternzeit, der von Frauen erwartet wird und zum wirtschaftlichen Überleben einer Familie zumeist existentiell erforderlich ist, zwingt Frauen mit Hochschulabschluss in Tätigkeiten, die normalerweise ungelernte Arbeitskräfte verrichten. Was für ein Land, das es sich leisten kann, bestens ausgebildete Menschen in mager bezahlten Hilfsjobs zu verheizen.

Im weiteren Kontext, der allerdings kein literarischer ist, geht es in dem Roman von Nam-Joo um eine Stimme, die sich endlich erhebt und es wagt, zu widersprechen. Und das ist die Stimme der Autorin. Ihr Land (und leider auch unseres) hat solche Stimmen bitter nötig.

Fazit: Dieser Roman mit mitunter Sachbuchcharakter kann eine Gesprächsgrundlage für fruchtbringende Gespräche sein.

Auch bei uns ist noch einiges zu tun!

Als allererstes muss „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ vom Schlagwort in die Praxis kommen und zweitens brauchen wir eine gesetzliche Regelung für die Transparenz aller Gehälter. Diejenige Partei, die diese zwei Punkte glaubhaft auf ihre Fahnen schreibt, ist wählbar.

Kategorie: Politischer Roman.
Verlag KiWi, 2021

 

Literaturhexle

Moderator
Teammitglied
2. April 2017
19.488
50.100
49
Das Buch hat dich in die richtige Stimmung gebracht, um diese Rezension zu schreiben, die die Bedeutung des Buches unterstreicht. Was die politische Brisanz für Deutschland betrifft, bin ich nicht ganz bei dir. Muss ich aber auch nicht;)
Tolle Rezension!
 

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