Rezension Rezension (5/5*) zu Im unwahrscheinlichen Fall: Roman von Judy Blume.

Janine2610

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9. Mai 2016
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janine2610.blogspot.co.at
Buchinformationen und Rezensionen zu Im unwahrscheinlichen Fall: Roman von Judy Blume
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Die Stadt der Flugzeugabstürze


Die Autorin Judy Blume war 1951/1952, als die drei Flugzeugabstürze in Elizabeth, New Jersey, innerhalb von nur zwei Monaten geschehen sind, in der 8. Klasse und hat diese katastrophalen historischen Ereignisse viele Jahre versucht zu verdrängen. Sie hat weder ihrer Tochter, die als Pilotin gearbeitet hat, noch ihrem Mann etwas davon erzählt, so sehr verschüttet hat sie ihre Erinnerungen daran. Trotzdem haben diese Geschehnisse sich eines Tages ihren Weg an die Oberfläche gebahnt und so wusste sie dann, dass sie eine Geschichte zu erzählen hat, die nun hier in diesem Buch zu finden ist.

Mir waren diese drei nacheinander folgenden Flugzeugabstürze in Elizabeth in so kurzer Zeit bisher noch nicht bekannt, umso neugieriger habe ich mich ans Lesen gemacht.
Der Titel des Buches passt wirklich optimal: wie wahrscheinlich ist es denn bitte, dass in nur zwei Monaten gleich drei Flugzeugabstürze in ein- und derselben Stadt passieren? Ich bin, als ich das alles gelesen habe, lange der Meinung gewesen, dass das doch ein wenig zu viel Zufall gewesen sein muss ... Oder doch nicht? - Jedenfalls wirkte all das sehr mysteriös und äußerst unwahrscheinlich auf mich!

~ Als Miri sie fragte, ob sie an Gott glaubte, was hätte sie da denn sagen sollen? »Natürlich glaube ich an Gott«, hatte sie gesagt.
»Aber wie kann Gott es zulassen, dass so schreckliche Dinge geschehen?«
»Gott entscheidet nicht, was passiert, er hilft dir, es durchzustehen«, hatte Rusty ihr erklärt. ~

(S. 62/63)

Von Anfang an werden recht viele mehr und weniger wichtige Charaktere vorgestellt, aus deren Sicht (kapitelweise) dann auch immer erzählt wird. Sehr hilfreich war in der Hinsicht das Lesezeichen, das beim Buch dabei war: Darauf findet man nämlich die wichtigsten Namen inklusive einer kurzen Notiz, wie die Charaktere zueinander in Verbindung stehen. - Ohne diesem Lesezeichen wäre ich wohl leicht aufgeschmissen gewesen ...

Pro Kapitel, die meist sehr kurz waren, kommt also jeweils ein anderer Charakter zu Wort, wobei man gemerkt hat, dass die 15-jährige Miri am öftesten dran war und aus meiner Sicht somit die Hauptprotagonistin dargestellt hat.
Henry Ammerman ist Miris Onkel und Reporter bei der Elizabeth Daily Post, und er hat zwischen die Kapitel, in denen die Charaktere abwechselnd ihre Sicht der Dinge geschildert haben, immer wieder Zeitungsartikel über die Flugzeugabstürze geschoben, die ich sehr interessant zu lesen fand, denn auch hier hat sich die Autorin an Zeitungsausschnitten von damals orientiert.

~ Das Leben geht weiter für die, die Glück gehabt haben. ~
(S. 486)

Das Tragische an dieser Geschichte sind eindeutig diese unwahrscheinlichen Flugzeugabstürze mit ihren zahlreichen Opfern. Man kann sich an dieser Stelle jetzt vielleicht denken, dass Im unwahrscheinlichen Fall kein einfacher Lesestoff ist ... Ich persönlich habe das allerdings nicht so empfunden. In meinen Augen lag der Fokus gar nicht so sehr auf den Abstürzen - die waren ziemlich schnell geschehen und dann ging es auch schon wieder mehr um die Beziehungen der Charaktere, um Liebe, Freundschaft, Fremdgehen und so weiter. Klar, zwischendurch waren die Abstürze immer wieder Thema, denn solche Ereignisse beschäftigen die Menschen in der Regel doch sehr, trotzdem kamen mir andere Themen in dem Buch viel mehr beleuchtet und emotional präsenter vor, als diese verheerenden Unglücke. Ein bisschen mehr Fokus auf diese Abstürze und ihre Folgen hätte ich mir also schon erwartet, dennoch kann ich mich nicht wirklich beklagen, die Leben der Charaktere waren nämlich echt nicht unspektakulär oder langweilig, nein, deren persönliche Geschehnisse und Schicksale waren ebenso ziemlich spannend zu verfolgen!

~ Für den unwahrscheinlichen Fall ... Aber das ganze Leben ist ja nichts als eine Abfolge von unwahrscheinlichen Fällen, oder? Ihres jedenfalls. Ein unwahrscheinlicher Fall nach dem anderen, die sich zu einem vielschichtigen Ganzen verbinden. Und wer weiß, was da noch alles kommen mag? ~
(S. 501)

Positiv aufgefallen ist mir auch, dass die Sprache sehr authentisch und das Denken und Verhalten der Protagonisten auf jeden Fall zeitgerecht war. Aber da die Autorin selbst ja aus dieser Zeit stammt, war das sowieso zu erwarten.

Eine lesenswerte historische Dokumentation, bei der das Hauptaugenmerk aber nicht vorrangig auf den Flugzeugabstürzen liegt, sondern sehr stark auf den mitunter echt spannenden Leben der unterschiedlichen Charaktere.
Wer glaubt, dass es in den 1950er Jahren noch kaum Sorgen, Ängste, Untreue oder Scheidungen gegeben hat, der irrt. - So verschieden die Figuren hier alle sind, genauso vielseitig und lesenswert sind auch deren persönliche Geschichten.


 

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