Rezension Rezension (5/5*) zu Hool: Roman von Philipp Winkler.

Momo

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10. November 2014
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Buchinformationen und Rezensionen zu Hool von Philipp Winkler
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Hool

Das Buch von Philipp Winkler hat mir sehr gut gefallen. Ein verdienter, deutscher Buchpreis 2016. Sehr interessant. Die Geschichte, der Schreibstil, familien- und gesellschaftskritisch erzählt.

Es war sehr spannend. Die Charaktere jeder einzelnen Figur, die Handlungen, die Sprache. Die Sprache habe ich als recht gewaltig und sehr fantasievoll erlebt. Am liebsten würde ich hier nur Zitate über die Ausdrucksweise einbringen, über die ich immer wieder gestolpert bin …
Das ist ja auch eine Kunst, diesen Jargon, diesen speziellen (teilweise restriktiven) Sprachcode dieser Menschen in schriftlicher Form umzusetzen. Eine saloppe Sprache, manchmal in dialektform, manchmal recht fäkalhaft, gossenhaft. Oftmals auch gemischt. Und sehr oft auch recht bildhaft:

Zitat:
Der Protagonist Heiko beschreibt seine Freundin Yvonne. ... "… und ihre kleinen Glubscher, diese blauen Augen. Sehen aus wie Eiswürfel, in denen eine Fliege eingefroren wurde". (Die Seitenzahl habe ich leider vergessen)
Auf Seite 145 beschreibt Heiko die verbrauchte Luft in seinem Zimmer, oben, wo die Luft sich schwer atmen ließe, als hätte sie ein Verfallsdatum, das lange überschritten wurde.

Der Roman ist nicht nur eine ernste Familiengeschichte, der Autor geht oftmals recht humorvoll und komikhaft mit seiner Thematik um. Das lockert den ernsten Alltag in dieser fiktiven Welt etwas auf.

Ich werde mich hier kurzhalten, da in der Leserunde in diesem Forum schon viel gesagt wurde. Ich möchte ein Buch nicht zerreden.

Auf den ersten Seiten fällt uns allen aus der Leserunde das gestörte Verhalten des Vater Hans Kolbes auf. Recht beziehungsgestört im Umgang seiner erwachsenen Kinder Manuela und Heiko. Im Hintergrund steht noch eine Person namens Mie, die sich rarmacht, sodass ich nicht gleich einzuschätzen weiß, was sie für eine Rolle zu dieser Familie hat. Hans Kolbe ist alkoholabhängig und wird in eine Reha überwiesen. Weshalb der Vater alkoholabhängig geworden ist, erzählt uns Winkler erst auf den späteren Seiten. Aber man kann den Grund bereits erahnen. Er wurde von seiner Frau, von der Mutter seiner Kinder, verlassen. Dies alleine ist es aber nicht. … Später wird auch hier deutlich, warum die Frau abgehauen ist, die nicht nur ihren Mann verlassen hat, sondern auch ihre Kinder. Manuela, die ältere von den beiden Geschwistern, hat es besser getroffen als Heiko. Sie hat auf Lehramt studiert und hat auch eine Anstellung als Lehrerin, während Heiko zweimal durch das Abitur gerasselt ist und keine Ausbildung gemacht hat.

Er war auch noch ein Kind, als die Mutter ihre Koffer gepackt hat. Als sie ging, saß Heiko auf der Treppe. Er wusste nicht, dass seine Mutter nicht wiederkommt. Sie hatte sich von ihm mit einem Kuss auf die Stirn verabschiedet, ohne jegliche Erklärung. Manuela konnte besser mit diesem Mutterverlust ungehen, da sie älter war.

Manuela ist mittlerweile verheiratet und hat ein Kind, und neidet die Herkunftsfamilie ihres Mannes, sodass sie die Konflikte ihrer Familie herunterspielt, bis sie selbst nicht mehr kann, und bei einer Familienfeier in Tränen ausbricht. Es gelingt ihr nicht mehr, vor ihren Schwiegereltern eine harmonische Familie zu spielen. Die Fassade ist längst gefallen.

Manuela ist auch diejenige, die alles tut, um die verrottete Familie immer wieder zusammenzuführen.

Die Gründe, weshalb Heiko, sein Vater … so geworden sind, wie sie sind, erzählt Winkler uns nicht sofort. Das ist das Schöne an seinem Buch. Er rückt mit seinen Informationen peu a peu erst raus. Und so liest man jede Seite mit großem Interesse und mit großer Spannung. Eine Chronologie gibt es nicht. Es gibt immer wieder Zeitsprünge vor und zurück.

Heiko wohnt nicht mehr zu Hause, lebt in einem heruntergekommenen Haus, bei einem Bekannten namens Arnim, der auch ein schräger Vogel ist, denn Arnim hält Wildtiere bei sich und macht aus ihnen Kampfmaschinen, und verdient sich damit seinen Unterhalt. Diese vielen Szenen mit den Tieren haben mich total angewidert. Am liebsten hätte ich sie übersprungen. Mir haben die Tiere so furchtbar leid getan. Aber solche Menschen gibt es tatsächlich, die Tiere wie Objekte behandeln … Natürlich werden die Tiere nicht artgerecht gehalten. Ein Bartgeier, der auf den Namen Siegfried reagiert, und der vergessen hat, was Freiheit ist, ist in einem kleinen Zimmer untergebracht … In den späteren Kapiteln schafft sich Arnim noch einen Tiger an, der in einer Grube leben soll, in der die Wände vor seiner Ankunft mit Aluminium ausgestattet werden, damit der Tiger nicht rausspringen kann. Das Schicksal dieses Tigers endet tragisch. Wie entsetzlich traurig.

Heikos Umfeld besteht hauptsächlich aus merkwürdigen Leuten. Da seine Familie für ihn keine wirkliche Familie mehr ist, so sind seine Freunde, die er auch aus seiner Kindheit kennt, so etwas wie ein Substitut, eine Ersatzfamilie.

Kein einfacher Umgang mit dem Umfeld, Heiko und seine Truppe, die sich mit ihren Gegnern, den Hooligans, in einem permanenten körperlichen Kampf befinden, der nicht selten böse endet.

Ein Teil des Schlusses hat mir sehr gut getan, ein anderer Teil wiederum nicht. Stichwörter: Tiger und Hund.


von: Alberto Torres Blandina
von: Ralf Rothmann
von: Malcolm Gladwell
 
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