So hat sich Comisaria María Ruiz ihre Rückkehr nach Madrid nicht vorgestellt : eine Reihe von seltsamen Tiermorden bringt die Gerüchteküche in der Hauptstadt zum Brodeln. Die Annahme, dass es sich um einen okkulten Ritus handelt, wird schnell verworfen, als kurz darauf an einem Wehr die Leiche der Kunststudentin Sara gefunden wird. Kann es Zufall sein, dass die Szene stark an eine Zeichnung des Künstlers Goya erinnert? Comisaria María Ruiz, die sich aufgrund ihrer Suspendierung zurückhalten müsste, ist dennoch fest entschlossen, den Fall aufzuklären. Hilfe bekommt sie dabei von einem Kellner, einem jugendlichen Ausreißer und einem Journalistenduo.Doch ist diese bunt zusammengewürfelte Gruppe in der Lage, einem gefährlichen Täter das Handwerk zu legen, der vor nichts Halt macht, um seine Visionen Wirklichkeit werden zu lassen?Kaufen
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"María nahm gleich zwei Stufen auf einmal", mit diesem charakteristischen Satz beginnt das erste Kapitel dieses fulminanten Krimis. Die Comisaria María Ruiz wurde wegen Gehorsamsverweigerung gegenüber ihrem Vorgesetzten vom Dienst suspendiert und erwartet ein Gerichtsverfahren, in dem der Vorwurf verhandelt werden soll. Einstweilen darf sie weder arbeiten noch eine Waffe tragen. Zu Fuß oder mit dem Fahrrad wandert sie durch die Metropole Madrid, trifft sich privat mit ihren Freunden und früheren Mitarbeitern, dem flotten Martín, ihrem ehemaligen Stellvertreter Esteban, dem Journalisten Luna. Doch alsbald fällt María eine Serie merkwürdiger Vorfälle buchstäblich vor die Füße. In dem Viertel, in dem Martín wohnt, werden drei tote Truthähne in merkwürdiger Weise auf der Straße zur Schau gestellt, kurz darauf Martíns kleiner Hund umgebracht. Und schließlich kommt ein Mord an einer Kunststudentin dazu. Obwohl die suspendierte María sich in Teufels Küche bringen könnte, kann sie es nicht lassen, Nachforschungen anzustellen. Die Ermordete, Sara mit Namen, hat sich vor allem mit dem Maler Goya beschäftigt und wurde in auffälliger Weise einer wenig bekannten Zeichnung von Goya entsprechend auf einer Flussschleuse zur Schau gestellt. Verdächtig ist vor allem der Professor Salas, der sie betreute, aber auch ihre Wohngenossen in dem besetzten Haus "Dragona" könnten in den Fall verwickelt sein. Und es tauchen Hinweise auf einen geheimnisvollen Fremden namens Yago auf. Nebenher laufen Marías ungeklärtes dienstrechtliches Verfahren und eine unglückliche Beziehung zu einem früheren Kollegen namens Tomas, der sich aus ihrem Leben verabschiedet hat, nachdem er durch einen Unfall an den Rollstuhl gefesselt wurde. Das Buch bietet eine Unmenge Stoff. Eine interessante Abwechslung sind einige kursiv dazwischen geschaltete Kapitel, in denen persönliche Begegnungen eines anonymen Erzählers mit dem Maler Goya beschrieben werden.
Kunstkrimis liegen im Trend. Goyas geheimnisvolle Darstellungen von Hexensabbaten und aufgewühlten Menschengruppen, die z.T. auch Kunsthistorikern noch immer Rätsel aufgeben, werden nicht zum ersten Mal in einem Thriller zitiert. Der Autorin Berna González Harbour, die selbst - wie sie in einem Interview am Ende des Buches erzählt - von Goya begeistert ist, hat dankenswerter Weise der Versuchung widerstanden, Goya ausschließlich über seine gespenstischen "schwarzen Gemälde" zu definieren. In "Goyas Ungeheuer" wird der klassiche Maler als das beschrieben, was er war: ein genialer Porträtist und klarsichtiger Chronist seiner Zeit, - darüber hinaus von finsteren Visionen heimgesucht, vermutlich infolge seiner Taubheit, die sich nach einer schweren Krankheit in seinen mittleren Jahren ausbildete. Mit Fortschreiten der Ermittlung werden immer wieder neue Bezüge zu Gemälden und Grafiken von Goya hergestellt. Das Buch enthält kleine Reproduktionen dieser Bilder, die zum Verständnis ausreichen, zum genaueren Betrachten aber auch leicht bei Wikimedia gefunden werden können. Irgendwelche Vorkenntnisse über das Leben des Malers sind für die Lektüre nicht erforderlich, aber das Buch macht entschieden Lust darauf, sich näher mit Goya zu befassen.
Es bietet überdies noch eine Menge Feinheiten, die es weit über den gängigen Krimidurchschnitt hinausheben. Da ist einmal die feine Charakterisierung der sympathischen Hauptfiguren und ihres Milieus. Die Autorin entfaltet einen reichen Bilderbogen des aktuellen Madrid, des Stadtbilds und der Gesellschaft - von der Intellektuellenszene, für die der verdächtige Professor steht, bis hinunter zu den abenteuerlich gekleideten gesellschaftlichen Randfiguren im besetzten Haus (das es übrigens wirklich gibt, es liegt am Rand des riesigen städtischen Friedhofs) und einer Gruppe obdachloser Menschen, die mit ihrer in Einkaufswagen gebündelten Habe in einem unterirdischen Kanalsystem leben. Ein großer Pluspunkt ist die sensible, liebevolle Darstellung des jungen Eloy, dem María in dem besetzten Haus begegnet - ein Fünfzehnjähriger, der barfuß geht oder mit einem rostigen Fahrrad fährt, für das ganze Haus kocht und welkes Gemüse containert. Dieser auf sich allein gestellte Junge, der in seiner ernsthaften Integrität so verletzlich wirkt, muss jeden Leser anrühren.
Die Autorin verweigert sich auf sympathische Weise vielen Krimiklischees. Die einzige Verfolgungsjagd findet mit klapprigen Fahrrädern statt, es gibt weder krasse Gewaltdarstellungen noch die üblichen krampfhaft-dramatischen Aufgipfelungen im Finale (das nichtsdestotrotz spannend und wendungsreich ausfällt). María erleidet die üblichen Blessuren, denen kein Krimi-Ermittler entgeht, aber bei ihr handelt es sich um Prellungen durch einen selbst herbeigeführten Fahrradunfall und den Sturz in einen Kaktus - erfrischend unkonventionelle Wendungen, die gängige Krimi-Versatzstücke gegen den Strich bürsten. Der einzige Kritikpunkt, den man anbringen könnte, ist eigentlich wieder ein Pluspunkt - "Goyas Ungeheuer" ist Teil einer Reihe, die bisher nicht auf Deutsch erschienen ist, und es gibt etliche Rückbezüge auf eine Vorgeschichte, die deutsche Krimifreundinnen und -freunde folglich nicht kennen. Das mindert die Lesefreude nur marginal, aber es wäre jedenfalls zu begrüßen, wenn sich der Verlag entschließen könnte, die ganze Reihe aufzulegen. Mich hat die agile María Ruiz und ihr Team gewonnen. Ein Highlight in der Krimiszene für Freunde anspruchsvoller Krimis, spannend und unterhaltsam - und am Ende hat man richtig Lust, Madrid kennen zu lernen (oder die Bekanntschaft aufzufrischen) und vielleicht sogar die Goya-Ausstellung im Prado zu besuchen. Leseempfehlung und dringende Bitte an den Verlag, die komplette Serie zu präsentieren. Estaría feliz de leer más, Pendragon!
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