Rezension Rezension (5/5*) zu Giovannis Zimmer: Roman von James Baldwin.

Sassenach123

Bekanntes Mitglied
27. Dezember 2015
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Baldwin zeigt hier sein Können

Baldwin zeigt hier sein Können

Giovannis Zimmer von James Baldwin

Dieser Roman ist sehr vielschichtig und benimmt sich wie ein Chamäleon. Während des gesamten Romans lag mein Fokus auf dem Thema Homosexualität im Paris der Fünfziger Jahre. Als ich am Ende des Romans angelangt war, und das Nachwort von Sasha Marianna Salzmann gelesen habe, erkannte ich, dass der Autor noch eine ganze Menge mehr zu sagen hat. Insgesamt ist der komplette Inhalt bewundernswert mutig, vor allem wenn man die Zeit des Erscheinens mitberücksichtigt.

David verliert seine Mutter früh, und wächst mit seinem Vater und seiner Tante auf. Der Vater trinkt viel und hat Affären, kein guter Umgang für ein Kind, wie Davids Tante dem Vater ins Gewissen reden will.
Als David älter wird, wird seine sexuelle Neigung zu Männern thematisiert. Er hegt tiefe Wünsche, aber er traut sich nicht sich dem zu stellen.
Nach einem Unfall Davids, als er ein junger Erwachsener ist, zieht es ihn nach Paris. Eine Bindung hat er zu seinem Vater nicht, verkauft ihm die Reise aber als dessen Idee, um ihn nicht zu kränken, da er nach dem Unfall versucht hat auf David einzugehen, ihm nun ein guter Vater zu sein. Doch David ist froh allem zu entkommen und stürzt sich ins Pariser Nachtleben, trotz seiner Verlobung mit Hella, die zu der Zeit Spanien bereist, um über die Beziehung nachzudenken.
Schnell lernt David Giovanni kennen, der in einer Bar arbeitet. Die zwei gehen eine Liebesbeziehung, das heißt bei Giovanni ist dies so, er betet David förmlich an. David scheint immer noch hin und hergerissen, sich seiner Homosexualität nicht sicher. Des weiteren wirkt David gar nicht fähig zu echter, bedingungsloser Liebe. Dies ist gemeinsam mit der Homosexualität ein tragendes Thema des Romans wie ich finde.

Hinter dem Hintergrund, das man weiß, dass Giovanni hingerichtet werden wird, entwickelte ich zum Ende des Romans ein sehr schlechtes Bild von David. Wobei ich zu Beginn sogar Mitleid hatte, da es schwer sein muss, seine Sexualität nicht ausleben zu können, als Kind nicht aufgeklärt zu werden. Schlimmer noch, die Neigung als schlecht abgestempelt wird. Da er aber im späteren Verlauf auf die Gefühle der anderen keinerlei Rücksicht nimmt, weder auf Giovannis noch auf Hellas, änderte sich mein Sicht auf David total. Als er Giovanni dann zu guter letzt verlässt, nimmt das Schicksal seinen Lauf, und David muss sich mit Schuldgefühlen auseinanderzusetzen. Wobei sich auch da die Frage aufdrängt, ob es Schuldgefühle sind, oder ob er dem hinterher trauert, was er nicht mehr haben kann.

Der Roman ist vielschichtig und gespickt mit tollen Formulierungen, die allein das Buch schon lesenswert machen. Die Thematik regt zum nachdenken an, da vieles in der heutigen Zeit viel lockerer ist. Baldwin gibt dem Leser die Möglichkeit sich in diese Zeit zurückzuversetzen.
Baldwin war wohl ein Rebell zu seiner Zeit, der durch seine Romane aufmerksam machen wollte. Dies ist ihm durchaus gelungen!


 
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