Rezension Rezension (5/5*) zu Furchtlose Liebe: Die Überlebenden 2 - Roman von Alexandra Bracken.

Mikka Liest

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14. Februar 2015
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Hilter am Teutoburger Wald
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Gelungene Fortsetzung

Am Ende des ersten Bandes hat Ruby ein ungeheures Opfer gebracht: um ihre große Liebe Liam zu retten, hat sie sich vollständig aus seiner Erinnerung gelöscht und ist einen Deal mit der korrupten Children\'s League eingegangen. Insgeheim nimmt sich sie vor, sich nur so lange als deren Soldatin benutzen zu lassen, bis Liam genug Zeit hatte, sich wirklich in Sicherheit zu bringen, und sich dann abzusetzen. Auf keinen Fall will sie daher emotionale Bindungen zu den anderen Jugendlichen in der League aufzubauen!

Aber Ruby wäre nicht Ruby, wenn sie ihr Herz komplett verschließen könnte vor dem lieben, tapsigen Jude, der nach jedem Einsatz auf sie zuspringt wie ein begeisterter Welpe und sie ungestüm umarmt... Auch die anderen Jugendlichen in ihrer Einheit sind ihr schnell nicht mehr egal - nicht mal die mürrische, arrogante Vida, die Ruby immer das Gefühl gibt, Dreck unter den Sohlen ihrer Stiefel zu sein.

Und so beschließt Ruby, heimlich mitzuhelfen, die Children\'s League wieder zu dem zu machen, was sie eigentlich ein sollte: eine Organisation, die den Kindern hilft, die ihren Familien weggenommen und in Lager gesperrt wurden. Doch dabei macht sie sich mächtige Feinde... Dann gerät ausgerechnet Liam in den Besitz von etwas, das alles verändern könnte und das ihn in ungeheure Gefahr bringt, und so muss sich Ruby auf eine gefährliche Rettungsmission begeben.

Die Geschichte geht rasant und spannend weiter, denn die Gefahr für Ruby und ihre Freunde war nie größer! Die Geschehnisse überschlagen sich; kaum einer sieht die Jugendlichen noch als Menschen, überall sind sie nur die \"Kreaturen\" oder die \"Freaks\", die man entweder einsperren, benutzen oder sogar töten muss. Ruby weiß überhaupt nicht mehr, wem sie noch trauen kann, und noch schlimmer: sie vertraut sich selber nicht mehr...

In diesem Band wird viel darauf eingegangen, dass die Menschen ja durchaus Grund dazu haben, sich vor den Psi-Kids zu fürchten. Ihre Fähigkeiten sind so ungeheuer wie gefährlich, und sie können in den falschen Händen zur tödlichen Waffe werden. Ruby und ihr Team begegnen einer Gruppe von Blauen, die zeigen, dass absolute Macht manchmal absolut korrumpiert... Ruby selber wird gezwungen, ihre Fähigkeiten für Dinge einzusetzen, von denen sie weiß, dass sie eigentlich ethisch nicht vertretbar sind, und so nach und nach stellt sie fest, dass sie sie auch immer gedankenloser einsetzt, um das zu erreichen, was sie will. Macht sie das zum Monster?

Es gibt hier nicht DIE Guten und DIE Bösen, und das fand ich großartig. Die Autorin lässt Ruby sehr differenziert über die ethischen Fragen nachdenken und alles hinterfragen, und das macht aus dieser originellen Dystopie in meinen Augen auch ein lohnendes Jugendbuch zum Nachdenken, mehr als reine Action.

Die neuen Charaktere haben mir sehr gut gefallen, allen voran der goldige kleine Jude, der in seinem riesigen Herzen scheinbar Platz hat für die ganze Welt. Er ist unglaublich rührend, und oft wirkt die bedrückende, grausame Welt, die Alexandra Bracken erschaffen hat, umso schrecklicher im Kontrast zu seinem ungebrochenen Optimismus. Aber vor allem hat mich beeindruckt, wie sich die Charaktere entwickelt haben, die wir schon aus dem ersten Band kennen. Besonders Ruby hat nur noch wenig gemeinsam mit dem verängstigten Kind, das sie damals war, aber ihre Entwicklung ist zwar drastisch, aber plausibel und glaubhaft.

Dadurch, dass Liam sich nicht an Ruby erinnert, geht die Liebesgeschichte natürlich nicht einfach so weiter. Sie liebt ihn immer noch, sie vermisst ihn, aber es stehen eindeutig andere Dinge im Mittelpunkt - wie zum Beispiel das nackte Überleben. Dennoch ist diese Liebe ein wichtiger Teil dessen, was Ruby antreibt! Aber vor allem gibt es in diesem Buch sehr berührende Freundschaften.

Der Schreibstil hat mir im ersten Band schon gut gefallen, und auch hier zeichnet die Autorin mit prägnanten Worten ein ungemein lebhaftes Bild dieser dystopischen Zukunft. Formulierungen wie diese haben mich sehr angesprochen:

\"Das rotblaue Licht der Polizeiwagen folgte meinem Weg über die Hausdächer wie ein höhnischer Schatten.\"

Fazit:
Die Fortsetzung zu \"Die Überlebenden\" ist in meinen Augen rundum gelungen: sehr spannend, zunehmend düster, mit lebensechten Charakteren, die an ihren Erlebnissen wachsen. Es gibt unerwartete Wendungen, Verrat und Tod, aber auch wunderbare Freundschaften und die Hoffnung auf eine bessere Zukunft.