Rachel Camerons Leben ist bestimmt von ihrer Arbeit als Lehrerin und den Erwartungen ihrer stark hilfsbedürftigen Mutter. Seit der Vater starb, gibt es außer ihr niemand, der sich um die kränkliche Witwe kümmern könnte. So scheint Rachels Schicksal besiegelt – als Mauerblümchen wird sie in der kanadischen Provinzstadt Manawaka ein gesellschaftlich kontrolliertes und ereignisloses Leben führen. Doch dann begegnet Rachel ihrem ehemaligen Schulfreund Nick wieder, der für die Sommermonate zu Besuch bei seinen Eltern ist. Er geht mit ihr aus und beginnt eine Affäre mit ihr. Und obwohl Rachel ahnt, dass diese Beziehung nicht von Dauer sein kann, stürzt sie sich in dieses Verhältnis, erfährt zum ersten Mal in ihrem Leben körperliche Liebe und beginnt langsam zu begreifen, dass sie ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen muss, wenn sie sich nicht von den äußeren Umständen erdrücken lassen will ...Kaufen
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„Eine Laune Gottes“ ist Rachel Camerons Leben, ein Scherz, bei dem einem das Lachen im Halse stecken bleibt, ein schlechter Witz. Die 34-jährige Grundschullehrerin voller Sehnsüchte lebt ein Leben im Käfig in einem engen Provinzort mit einer sehr begrenzten Anzahl sozialer Kontakte, keinerlei Vergnügungen und vor allem unter der Fuchtel ihrer, die Klaviatur der emotionalen Erpressung perfekt beherrschenden, Mutter. Rachels Leben steht im Dienst des Wohlbefindens ihrer Mutter, ihres Schuldirektors und zu einem gewissen Grad auch ihrer Kollegin Calla. Alles was geschieht, passiert, ohne dass Rachel aktiv Einfluss nehmen würde. Im Gegensatz zu ihrem äußerst fügsamen Verhalten ist ihr Geist geradezu rebellisch, die Diskrepanz zwischen der unterwürfigen Rachel nach außen und der scharf beobachtenden, mitunter bösen, meist aber einfach in eigenen Gedankenspiralen gefangenen, Rachel ist immens – die Beschränkungen ihres Daseins treten durch diesen Kontrast überdeutlich zutage. Rachel würde immer gern anders, sie kann aber nicht und sie weiß auch nicht so recht wie. Sie lebt letztlich eine unterdrückte Existenz, erlegt sich selbst ständig Begrenzungen auf, erhält aber auch von ihrem Umfeld keine Freiheit. Die unglaublich präzisen, sprachlich ausgereiften Einblicke in Rachels Seelenleben erlauben es dem Leser, sie ausgesprochen gut kennenzulernen. Selten gibt es so authentische, real erscheinende, durchdachte Figuren wie Rachel, die einem durch die umfassenden, lebensechten Innensichten auch so nah kommen – allein dafür lohnt der Roman schon die Lektüre.
Aber auch dafür, dass es sich hier um ein absolut glaubhaftes spätes Coming-of-Age handelt, bei dem Margaret Laurence sehr spannend die üblichen Merkmale des Genres abwandelt und für Rachel passend gestaltet. So trifft Rachel in Nick, der seine Eltern im Ort besucht, einen Schulkameraden aus alten Zeiten und wird von ihm aus ihrer altjüngferlichen Lethargie gerissen, lernt völlig neue, aber auch alte, Seiten an sich kennen, entdeckt Träume, Wünsche und Hoffnungen und unbekannte Ängste und versucht sich zu befreien – nicht nur von ihrer überaus anstrengenden Mutter, sondern vor allem auch von sich selbst und der Rachel, die der ganze Ort kennt. Obwohl in dem Roman nicht viel passiert (das meiste geschieht tatsächlich im Strudel von Rachels Gedanken), liest er sich spannend, mitreißend, abwechslungsreich und vor allem überraschend. Völlig begeisternd ist die Tatsache, dass alles, was Rachel widerfährt, glaubhaft ist, dass alles, was sie denkt, nachvollziehbar ist – auch heute noch. Hinzu kommen zahlreiche, sehr gelungene Anspielungen, Subtexte und Szenen, die dem Text sehr viel Tiefe und Möglichkeit verleihen – man könnte auch sagen, Margaret Laurence weiß, was sie tut. Zu guter Letzt wird dieser Roman, der an sich schon ein Meisterstück ist, dann auch noch fabelhaft über die Ziellinie gebracht. Ach, Rachel – dein Leben ist lesenswert!
„Eine Laune Gottes“ ist ein ausgezeichneter Roman, mit einer unvergleichlich gut gelungenen Protagonistin, von der man kaum glauben mag, dass sie „nur“ Fiktion ist – kurzweilig, berührend, befreiend und literarisch beglückend.
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