Rachel Camerons Leben ist bestimmt von ihrer Arbeit als Lehrerin und den Erwartungen ihrer stark hilfsbedürftigen Mutter. Seit der Vater starb, gibt es außer ihr niemand, der sich um die kränkliche Witwe kümmern könnte. So scheint Rachels Schicksal besiegelt – als Mauerblümchen wird sie in der kanadischen Provinzstadt Manawaka ein gesellschaftlich kontrolliertes und ereignisloses Leben führen. Doch dann begegnet Rachel ihrem ehemaligen Schulfreund Nick wieder, der für die Sommermonate zu Besuch bei seinen Eltern ist. Er geht mit ihr aus und beginnt eine Affäre mit ihr. Und obwohl Rachel ahnt, dass diese Beziehung nicht von Dauer sein kann, stürzt sie sich in dieses Verhältnis, erfährt zum ersten Mal in ihrem Leben körperliche Liebe und beginnt langsam zu begreifen, dass sie ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen muss, wenn sie sich nicht von den äußeren Umständen erdrücken lassen will ...Kaufen
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Die 34-jährige Grundschullehrerin Rachel Cameron führt in der kanadischen Provinzstadt Manawaka ein ereignisloses Leben. Während sie zuhause ihre pflegebedürftige Mutter umsorgt und dafür die meiste Zeit aufbringt, findet sie auch im Berufsleben nicht wirklich Anschluss. Als ihr ehemaliger Mitschüler Nick für den Sommer nach Hause kommt, scheinen sich die Dinge schlagartig zu ändern. Rachel beginnt mit dem ein Jahr älteren Mann eine Affäre, die für sie nicht folgenlos bleibt...
"Eine Laune Gottes" von Margaret Laurence ist im kanadischen Original bereits 1966 erschienen, und der Eisele Verlag bringt in der Übersetzung von Monika Baark und mit einem Nachwort von Margaret Atwood versehen nun erstmals eine deutsche Fassung auf den Markt. Es ist eine wunderbare Entscheidung, denn der Roman ist ein literarisches Juwel erster Güte.
Während Laurence (1926 - 1987) in Kanada neben Atwood und Alice Munro als eine der drei großen heimischen Schrifstellerinnen gilt, war sie in Deutschland bis vor Kurzem nahezu unbekannt. Mit der Neuübersetzung von "Der steinerne Engel" bemühte sich der Eisele Verlag schon vor zwei Jahren, daran etwas zu ändern. Mit "Eine Laune Gottes" legt der Verlag nun den zweiten der fünf "Manawaka"-Romane nach.
Ich-Erzählerin und Protagonistin Rachel ist eine hinreißende Figur, der ich von Beginn an sehr gern gefolgt bin. Ihre inneren Monologe strahlen eine große Intensität aus, zudem ist sie eine zutiefst verunsicherte Person voller Selbstzweifel und mit einem fast krankhaften Wunsch, nicht auffallen zu wollen. Sie ist eine Hauptfigur voller Fehler und Makel, die mich nie kalt ließ und trotz ihrer Ambivalenz bei mir auf großes Mitgefühl stieß. Denn Margaret Laurence gelingt es, Rachel psychologisch sehr feinfühlig und gleichzeitig ehrlich und mit einer gehörigen Prise Selbstironie darzustellen. Diese Ambivalenz überträgt sich fast nahtlos auf die ebenfalls sehr gelungenen Nebenfiguren wie Nick, Rachels Mutter oder die heimlich in sie verliebte Kollegin Calla.
Laurences Schreibstil ist schnörkellos und mag auf den ersten Blick etwas simpel scheinen, doch immer wieder finden sich zwischen den Zeilen bemerkenswert kluge Sätze. "Kinder haben einen eingebauten Verlogenheitsradar", heißt es beispielsweise an einer Stelle oder "Die Nacht fühlt sich an wie ein gigantisches Riesenrad, das in der Dunkelheit seine Runden dreht" über eine schlaflose Nacht voller Grübeleien. Immer wieder schiebt sie zudem kleinere Absätze ein, in denen es um Träume oder Phantastereien Rachels geht. Auch durch diese fast surreal wirkenden Absätze gelingt es der Autorin, die Spannung durchweg hochzuhalten.
Zu Höchstform läuft Laurence gar im letzten Drittel des Romans auf, das sicherlich als Höhepunkt des gesamten Romans gelesen werden kann. Die Autorin überrascht die Leser:innen ein ums andere Mal mit nicht vorhersehbaren Wendungen und bleibt dabei trotzdem glaubwürdig. Und obwohl das Finale eine große Hoffnung ausstrahlt, verkommt es nicht einmal ansatzweise zu einem kitschigen Happy-End.
So ist "Eine Laune Gottes" für mich insgesamt eine wunderbare Lektüre und zudem eine große Überraschung gewesen. Trotz seiner fast 60 Jahre wirkt der Roman angenehm zeitlos und alles andere als angestaubt. Durch die Kriegshandlungen in der Ukraine erhält er in einer Nebenhandlung sogar überraschende Aktualität. Zudem traut sich Laurence, gesellschaftliche und persönliche Themen wie weibliche Sexualität, Einwanderung, Glauben und Homosexualität anzusprechen, was vor allem im Nordamerika der 1960er-Jahre alles andere als selbstverständlich war. Aufgrund der Entwicklung Rachels wirkt "Eine Laune Gottes" auf mich außerdem fast wie ein Coming-of-Age-Roman mit einer Erwachsenen, was ich so bisher wohl auch noch nicht kennengelernt habe.
Laurence schafft es, mich mit dem Roman zum Lachen und - allerspätestens mit den herausragenden letzten drei Sätzen - zum Weinen zu bringen, mich mit und über Rachel zu ärgern und mich für sie zu freuen. Es ist der Autorin posthum und dem Eisele Verlag zu wünschen, dass "Eine Laune Gottes" die Aufmerksamkeit erhält, die das Buch verdient. Von mir gibt es jedenfalls eine große und uneingeschränkte Leseempfehlung.
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