Rezension (5/5*) zu Eine Frage der Chemie von Bonnie Garmus

alasca

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13. Juni 2022
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Buchinformationen und Rezensionen zu Eine Frage der Chemie von Bonnie Garmus
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Furios feministisch und unwiderstehlich witzig

„Ein Mann kann seinem Kind Lunch machen. Das ist keine biologische Unmöglichkeit.“ Mit diesem Satz beginnt die unglaubliche TV-Karriere von Elizabeth Zott – Chemikerin, unverheiratet, unbeugsam – und im Forschungsinstitut gefeuert wegen Schwangerschaft. Produzent Walter Pine, dem diese Worte gelten, ist so geflasht von Elizabeth, dass er ein TV-Format für sie erfindet: Essen um sechs. „Und obwohl Elizabeth die Idee nicht unbedingt begeisternd fand, […] nahm sie den Job aus den üblichen Gründen an: Er war besser bezahlt, und sie hatte ein Kind zu versorgen.“ Fortan erteilt sie – getarnt durch eine Kochsendung – der weiblichen Hälfte der Nation Chemieunterricht und Nachhilfe in Emanzipations- und Lebensfragen.
Weitere Figuren: Madeline, Elizabeths gescheite Tochter; eine unglücklich verheiratete Nachbarin; ein Pastor, dem der Glaube abhanden gekommen ist; ein anständiger Journalist, der für seinen Anstand mit einer Entsendung nach Vietnam belohnt wird und ein Sortiment Sexisten, Lügner, Vergewaltiger, Plagiatoren (Betonung auf Toren) und opportunistischer Wissenschaftler ohne Talent. Und Calvin Evans, weltberühmter Chemiker kurz vor der Nobelpreisnominierung und Elizabeths große Liebe.

Der Roman spielt in den 50er/60er Jahren des letzten Jahrhunderts – ein kluger Kunstgriff, denn da war die Welt für Frauen eindeutig nicht in Ordnung – nicht so wie heute, wo frau sich nicht beklagen kann, ohne zu hören, dass doch mittlerweile die armen Männer diskriminiert werden. In der schlechten alten Zeit waren eindeutig die Frauen benachteiligt. Aber sowas von. Steilvorlage für satirische Überspitzung – und ganz nebenbei wird klar, wo wir herkommen und was unsere Mütter und (je nach Alter) Großmütter für uns erreicht haben.

Garmus´ Sprache punktet mit Tempo, Esprit und knackigen Dialogen – und zum furiosen Ende hin legt die Autorin den Turbogang ein. Ihre Elizabeth mit ihrer gnadenlosen Sachlichkeit ist eine der originellsten Figuren, denen ich zwischen zwei Seiten begegnet bin. Schöner kann man nicht für Ratio und Gleichberechtigung eintreten. Als Bonus obendrauf gibt es ein lange begrabenes Geheimnis, ein korruptes Waisenhaus und einen mysteriösen Wohltäter - und Halbsieben, einen äußerst intelligenten Ex-Bombensuchhund. Diese liebenswert eigenständige Figur verleiht der Story etwas Märchenhaftes, ohne sie zu überzuckern. Ich musste den Impuls unterdrücken, zum nächsten Tierheim zu düsen und den erstbesten treuguckenden Vierbeiner zu adoptieren.

Fazit: Mit ihrem Erstling ist Garmus ein ebenso scharfzüngiger wie witziger Knaller gelungen. Der Roman macht unweigerlich gute Laune - ich habe ihn in weniger als zwei Tagen verschlungen und mit einem Lächeln zugeklappt.

Und nun: „Kinder, deckt den Tisch! Eure Mutter braucht einen Moment für sich allein.“ Ich wünsche einen gesunden Leseappetit und viel Spaß mit diesem originellen Roman!


 

Literaturhexle

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2. April 2017
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Furios feministisch und unwiderstehlich witzig

„Ein Mann kann seinem Kind Lunch machen. Das ist keine biologische Unmöglichkeit.“ Mit diesem Satz beginnt die unglaubliche TV-Karriere von Elizabeth Zott – Chemikerin, unverheiratet, unbeugsam – und im Forschungsinstitut gefeuert wegen Schwangerschaft. Produzent Walter Pine, dem diese Worte gelten, ist so geflasht von Elizabeth, dass er ein TV-Format für sie erfindet: Essen um sechs. „Und obwohl Elizabeth die Idee nicht unbedingt begeisternd fand, […] nahm sie den Job aus den üblichen Gründen an: Er war besser bezahlt, und sie hatte ein Kind zu versorgen.“ Fortan erteilt sie – getarnt durch eine Kochsendung – der weiblichen Hälfte der Nation Chemieunterricht und Nachhilfe in Emanzipations- und Lebensfragen.
Weitere Figuren: Madeline, Elizabeths gescheite Tochter; eine unglücklich verheiratete Nachbarin; ein Pastor, dem der Glaube abhanden gekommen ist; ein anständiger Journalist, der für seinen Anstand mit einer Entsendung nach Vietnam belohnt wird und ein Sortiment Sexisten, Lügner, Vergewaltiger, Plagiatoren (Betonung auf Toren) und opportunistischer Wissenschaftler ohne Talent. Und Calvin Evans, weltberühmter Chemiker kurz vor der Nobelpreisnominierung und Elizabeths große Liebe.

Der Roman spielt in den 50er/60er Jahren des letzten Jahrhunderts – ein kluger Kunstgriff, denn da war die Welt für Frauen eindeutig nicht in Ordnung – nicht so wie heute, wo frau sich nicht beklagen kann, ohne zu hören, dass doch mittlerweile die armen Männer diskriminiert werden. In der schlechten alten Zeit waren eindeutig die Frauen benachteiligt. Aber sowas von. Steilvorlage für satirische Überspitzung – und ganz nebenbei wird klar, wo wir herkommen und was unsere Mütter und (je nach Alter) Großmütter für uns erreicht haben.

Garmus´ Sprache punktet mit Tempo, Esprit und knackigen Dialogen – und zum furiosen Ende hin legt die Autorin den Turbogang ein. Ihre Elizabeth mit ihrer gnadenlosen Sachlichkeit ist eine der originellsten Figuren, denen ich zwischen zwei Seiten begegnet bin. Schöner kann man nicht für Ratio und Gleichberechtigung eintreten. Als Bonus obendrauf gibt es ein lange begrabenes Geheimnis, ein korruptes Waisenhaus und einen mysteriösen Wohltäter - und Halbsieben, einen äußerst intelligenten Ex-Bombensuchhund. Diese liebenswert eigenständige Figur verleiht der Story etwas Märchenhaftes, ohne sie zu überzuckern. Ich musste den Impuls unterdrücken, zum nächsten Tierheim zu düsen und den erstbesten treuguckenden Vierbeiner zu adoptieren.

Fazit: Mit ihrem Erstling ist Garmus ein ebenso scharfzüngiger wie witziger Knaller gelungen. Der Roman macht unweigerlich gute Laune - ich habe ihn in weniger als zwei Tagen verschlungen und mit einem Lächeln zugeklappt.

Und nun: „Kinder, deckt den Tisch! Eure Mutter braucht einen Moment für sich allein.“ Ich wünsche einen gesunden Leseappetit und viel Spaß mit diesem originellen Roman!


Danke fürs Einstellen!
 
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