Rezension Rezension (5/5*) zu Eine Birne unter Äpfeln von Hanns Bierner

parden

Bekanntes Mitglied
13. April 2014
5.835
7.675
49
Niederrhein
www.litterae-artesque.blogspot.de
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Beeindruckendes Zeitzeugnis und Mutmacher...

Für jeden Apfel ist eine Birne "anders" - was sie aber nicht unbedingt schlechter macht. Nur eben anders! Nach diesem Motto versucht der Held des Romans, sein schwules Leben erfolgreich zu gestalten. So erlebte er die spießigen fünfziger und sechziger Jahre des letzten Jahrhunderts, genoss die sexuelle Revolution, und verlor auch im Alter und bei schwerer Krankheit nie die Hoffnung. Dieses Hörbuch ist ein echter Mutmacher.

Dieses (Hör-)Buch ist eine tolle und bewegende Autobiografie. Das Leben eines homosexuellen Mannes sowohl damals in den 50er und 60er Jahren, als auch in der heutigen Zeit, ist ein interessantes und berührendes Thema. Es ist sowohl gesellschaftskritisch als auch persönlich, emotional und aufrüttelnd.


"Geschichten aus meinem Leben. Keine richtigen Memoiren. Bloß so kleine Häppchen, so wie Sushi!"


Hanns Bierner, Jahrgang 1946, lebt in Augsburg, und sieht sich als Chronist des bürgerlichen Lebens in Bayern seit der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts. Er richtet seinen Fokus besonders auf die Entwicklung der Tolerierung und Anerkennung homosexueller Menschen in dieser Zeit und verarbeitet dabei auch Autobiografisches. Er möchte so für mehr Anerkennung für diesen Personenkreis werben und Betroffenen Mut machen.

Auf dieses Hörbuch bin ich gestoßen, weil ich für eine Challenge nach passendem 'Material' suchte. Auch wenn ich nicht gerade zur eigentlichen Zielgruppe gehöre, klang der Klappentext doch sehr interessant, so dass ich zumindest einmal reinhören wollte. Was soll ich sagen: ich blieb hängen. Hanns Bierner gestaltet sein Werk abwechslungsreich, nicht unbedingt chronologisch, aber thematisch sortiert, und bietet hier tiefe Einblicke in sein durchaus bewegtes Leben.

Dies geschieht auf eine überaus unterhaltsame, ehrliche und berührende Weise. In kurzen Kapiteln erzählt der Autor von seiner Kindheit und Jugend in den prüden 50igern und 60igern, von ersten Schwärmereien und der Entdeckung der eigenen Sexualität, den Konsequenzen des 'Andersseins', dem Suchen nach der großen Liebe und einer vertrauenvollen Partnerschaft, der sexuellen Revolution und dem offiziellen Schritt des Outings. Die besonderen Ereignisse im Leben des Autors werden authentisch beschrieben, wobei die Schilderungen von Charme durchzogen sind, dabei aber durchaus eine Verletztlichkeit oder auch ein Augenzwinkern erkennen lassen.


"Ich dachte, es gibt doch mehr Menschen, die homosexuell sind und ihren Weg im Leben gehen müssen. Ich hatte keine einfaches Leben, aber ich habe es gemeistert. Und wenn ich so zurück blicke, bin ich sehr froh, dass ich mich einfach verwirklichen konnte. Verbogen habe ich mich nie."


Matthias Lühn liest diese ungekürzte Fassung von 6 Stunden und 30 Minuten einfühlsam und unaufgeregt und damit überaus passend für dieses beeindruckende Zeitzeugnis, das gleichzeitig als Mutmacher fungiert - für Menschen jeder Couleur und jeder sexuellen Ausrichtung. In jedem Fall eine großartige Werbung für Toleranz.

Von mir gibt es hier eine klare Empfehlung - ob nun als Buch oder als Hörbuch, das sei jedem überlassen...


© Parden

von: Nadine Erdmann
von: Howard Jacobson
von: Lavinia Braniște