Rezension Rezension (5/5*) zu Ein Winter in Paris: Roman von Jean-Philippe Blondel.

Lynn253

Neues Mitglied
16. Juni 2018
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Leider konnten wir zu diesem Buch keine Daten ermitteln.
Sensibel, melancholisch, wunderschön

Einfühlsam zeichnet Jean-Philippe Blondel in seinem neuen Roman den Verlauf nach, den das Leben des 19-jährigen Victors während und nach einem schicksalhaften Winter in Paris nimmt.
Eine zentrale Rolle spielt dabei die Vorbereitungklasse des renommierten Lycée D., an deren Ende der sogenannte Concours steht. Wer diesen besteht, studiert an einer der Grandes Ecoles. So findet Victor, der Junge aus der Provinz, sich zwischen der französischen Elite wieder. Anders als die anderen ist er nicht zwischen Kunst, Literatur und Theater aufgewachsen. Und die ungeschrieben Gesetzte, nach denen sie sich kleiden, sprechen, sich verhalten sind ihm fremd. So ist er ist einsam, außen vor, unsichtbar.
Wider aller Erwartung gelingt es ihm, das erste Jahr zu überstehen und in das zweite Jahr zu wechseln. So trifft er auf Mathieu, ein Jahr jünger als er, ebenfalls aus der Provinz. Sie sprechen nicht viel, aber sie rauchen in den Pausen gemeinsam. Vielleicht kann daraus eine Freundschaft entstehen, hofft Victor. Das ändert sich abrupt, als Mathieu in der Schule über ein Geländer springt und sich so selber das Leben nimmt. Plötzlich steht Victor im Mittelpunkt, halten ihn doch alle für einen Freund des Opfers, für ein Opfer des Opfers. Er ist nicht mehr unsichtbar, seine Mitschüler interessieren sich für ihn.
Der Selbstmord wird von Seiten der Schule nicht aufgearbeitet, vielmehr geht es dort weiter wie zuvor. Anschaulich wird die harte, kompetitive Atmosphäre und der Konkurrenzdruck beschrieben. Die Lehrer wirken beinah unmenschlich, allen voran ein M. Clauzet, in dessen Französischstunde Mathieu sprang. Auf unnachahmliche Art beleidigt und demütigt er seine Schüler.
Auch Mathieus Vater, der nach Hinweisen sucht, findet keine Antwort auf die Frage, weshalb sein Sohn sprang. Aber diese steht auch nicht im Focus. Vielmehr erzählt Victor sehr wortgewandt, wie es mit seinem eigenen Leben weitergeht. Er schließt immer mehr Bekanntschaften, entfremdet sich zunehmend von seinen Eltern, auch seine Noten rutschen ab. Und er trifft auf Mathieus Vater, hört ihm zu, immer wieder, wenn dieser von seinem Sohn erzählt.
Es ist eine sensible, melancholische Geschichte. Feinfühlig und sehr anschaulich erzählt, sodass man teilweise das Gefühl hat, selber neben Victor durch Paris zu laufen. Insgesamt ein wunderschöner Roman.




 
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