Rezension (5/5*) zu Ein neuer Morgen für Samuel: Roman von Ruth Druart

claudi-1963

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29. November 2015
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Buchinformationen und Rezensionen zu Ein neuer Morgen für Samuel: Roman von Ruth Druart
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Ist das Glück unserer Kinder uns wichtiger als unser eigenes?

<strong>"Wir müssen bereit sein, uns von dem Leben zu lösen, das wir geplant haben, damit wir das Leben finden, das auf uns wartet." (Oscar Wilde)</strong>
<em>Paris 1944:</em>
Das jüdische Ehepaar Sarah und David Laffitte bekommen kurz vor ihrer Deportation von Drancy nach Auschwitz einen kleinen Jungen namens Samuel. Am Bahnhof drückt sie dem französischen Gleisarbeiter Jean-Luc ihren Säugling in den Arm, mit der Bitte, er möge ihn retten. Aus Angst, dass er verhaftet wird, flieht er gemeinsam mit seiner Freundin Charlotte nach Spanien. Bis sie dann kurz darauf als Familie nach Amerika auswandern. 1953 wird Jean Luc in den USA verhaftet und erfährt, das Sarah und David das KZ überlebt haben und schon jahrelang nach ihrem Kind suchen.

<strong>Meine Meinung:
Eine bewegende Geschichte wird uns hier in diesem Buch präsentiert, bei der es um die Zeit, den Nationalsozialismus in Frankreich geht. Selbst unsere Nachbarländer blieben nicht verschont vor den Auswirkungen der Deutschen. 1940 wird Frankreich von den Deutschen belagert, viele Tausende Juden des Landes werden deportiert, unter anderem Sarah und David. Wegen eines Schadens müssen alle Juden nochmals aus dem Waggon heraus und Sarah sieht das als Chance, um ihren Sohn zu retten. Kurzerhand drückt sie dem Gleisarbeiter Jean-Luc ihr Baby in die Hand und bittet ihm, das Leben zu retten. In seiner Not überwältigt er einen deutschen Soldaten und flieht zum Haus von Charlotte. Doch was sollen sie tun in Zeiten der Not, wo man nicht mal Geld für Milch hat? Für die beiden ist klar, in Frankreich können sie nicht bleiben. Zu groß wäre die Gefahr einer Verhaftung für Jean Luc. Mithilfe und unter großer Gefahr fliehen sie über die Berge nach Spanien, um später in Amerika ihr neues Glück zu finden. Sam wächst derweil in Amerika auf, er kennt nichts anderes, ist glücklich mit seinen Eltern. Erst nach der Verhaftung seines Vaters erfährt er, dass die beiden nicht seine leiblichen Eltern sind. Doch wie erklärt man das einem Kind, der im Grunde die Eltern nicht kennt, dass er nun zu dieser Familie muss? Der Autorin ist hier eine bewegende, emotionale Geschichte gelungen. Es macht mich fassungslos mitzuerleben, dass eine Mutter ihr Kind hergeben muss, damit es überlebt. Doch dann das ganze Ausmaß zu sehen, das ein Kind aus dem Elternhaus herausgerissen wird, in das er schon als Baby kam, macht mich noch mehr betroffen. Man muss sich nur mal in Sam hineinversetzen, der jahrelang Jean Luc und Charlotte als seine Eltern ansieht. Die kann man doch nicht einfach gegen neue Eltern austauschen, selbst wenn es die Leiblichen sind. Fassungslos macht mich außerdem, wie damals die Behörden Jean Luc bestraft konnten und wie Psychologen mit Ratschlägen aufwarten, die für mich einfach unverständlich sind. Unbegreiflich auch, dass zu der Zeit das Kindeswohl nicht die höchste Priorität hat. Des Öfteren frage ich mich in dieser Geschichte, was macht eigentlich Familie aus? Und dürfen wir unser Glück vor dem unseres Kindes setzen? Das Jean Luc das Leben von Sam maßgeblich gerettet und bestimmt hat, ist keine Frage, den ohne ihn würde er nicht mehr leben. Doch hat er damit das Recht für ihn, seine Familie zu sein oder doch eher die leiblichen Eltern und kann man neun Jahre einfach so ausradieren? Dieses Schicksal ist kein Einzelfall, vielen jüdischen Eltern erging es so, nachdem sie ihre Kinder zuvor in andere Länder verschickt haben. Die Autorin präsentiert hier sehr ausführlich, welche Auswirkung so eine Trennung und Zerrissenheit für Familien hat. Leider ging es mir dann gegen Ende etwas zu schnell und so blieben einige Fragen, vor allem Jean Luc betreffend bei mir offen. Trotzdem dies eine fiktive Geschichte ist, ging mir vor allem das Schicksal von Sam zu Herzen, deshalb von mir 4 1/2 von 5 Sterne.<strong>