Rezension Rezension (5/5*) zu Ein Lied für die Geister: Roman von Louise Erdrich.

Mikka Liest

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14. Februar 2015
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Hilter am Teutoburger Wald
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Unser Sohn soll jetzt euer Sohn sein

"Ein Lied für die Geister" ist ein ungewöhnliches Buch, das mich noch lange beschäftigen wird. Tatsächlich ist es auch ein Buch, für das ich deutlich länger gebraucht habe, als ich das normalerweise für 444 Seiten tue - aber ich bitte darum, das nicht als Kritik zu verstehen, im Gegenteil. Manchmal muss man sich für die besten Dinge im Leben Zeit nehmen.

Worin liegt jedoch der Zauber, der sich mit jeder Seite mehr entfaltet? Wenn ich die Geschichte auf ihre grundlegendsten Zutaten herunterbreche und nur diese betrachte, erscheinen sie mir öde, nüchtern, trostlos, deprimierend... Schlimmer noch, voll unterschwelligem Pathos. Die Geschichte im Ganzen ist in meinen Augen jedoch nichts davon. 'Magisch' würde mir da eher in den Sinn kommen, 'tiefgründig' oder 'bewegend'. Und ja, manchmal tragisch.

Es geht um viele Dinge, nicht nur um den Tod des kleinen Dusty und dessen Auswirkung auf die beiden betroffenen Familien. LaRose, der Junge, der Dustys Platz einnehmen soll, ist der fünfte Mensch dieses Namens in seiner Familie, wobei die erste vier alle Frauen waren. In Rückblicken erzählt die Autorin aus dem Leben der ersten vier LaRoses und spricht dabei das enorme in der Vergangenheit an den Indianern begangene Unrecht an, und die Zerissenheit ihrer Nachfahren zwischen den Kulturen. (Erdrichs Großvater mütterlicherseits war übrigens ein Häuptling der Chippewa.)

Der Schreibstil ist wunderbar und trügerisch. Mal karg, mal von schlichter Eleganz, dann wieder bewegend und voll emotionaler Tiefe. Wenn sich indianische Legenden und schonungslose Gegenwart vermischen, entsteht ein ganz eigener, magischer Realismus, und dennoch entbehrt die Geschichte nicht einem gewissen Humor.

Die scheinbare Einfachheit des Schreibstils täuscht vielleicht anfänglich darüber hinweg, wie authentisch und komplex die Charaktere sind, aber mit jeder Seite enthüllen sie dem Leser mehr von ihrer Persönlichkeit. Die Autorin scheut nicht davor zurück, sie bis an die Grenzen dessen zu treiben, was sie ertragen können, lässt ihnen aber immer den letzten Funken Hoffnung. Viele Charaktere zeigen im Laufe der Geschichte überraschende Eigenschaften, die den Leser zwingen, seine ersten Eindrücke zu überdenken.

Das trifft auf keinen davon so sehr zu wie auf Romeo:

Romeo, der Schmarotzer, der Widerling, der kleine Gauner, der in seinem Leben nichts erreicht hat, aber klaut, betrügt, lügt und sich mit Tabletten sein erbärmliches Dasein erträglich macht. Romeo und seine sinnlose, skrupellose Rache. Romeo, den man wirklich nur hassen kann.

Dachte ich.

Man erfährt später im Buch noch, welches Trauma und welcher Verrat ihn zu dem gemacht haben, der er ist, und dann hätte ich am liebsten um den loyalen, intelligenten Jungen geweint, der Romeo einmal war.

Die Geschichte hat meiner Meinung nach keinen klar strukturierten Handlungsbogen, entwickelt aber eine starke psychologische Spannung, weil man als Leser mitfiebert und mitleidet mit den Charakteren. Man muss sich allerdings darauf einlassen, dass nicht alles erklärt wird oder überhaupt erklärbar ist.

Fazit:
Der kleine Dusty wird bei einem Jagdunfall aus Versehen erschossen. Der Schicksalsschlag droht, zwei Familien zu zerstören: die des Jungen und die des erschütterten Todesschützen, Landreaux Iron. Dieser beschließt nach Anrufung seiner Ahnen, einer alten indianischen Tradition zu folgen und den trauernden Eltern seinen eigenen Sohn zu übergeben, den fünfjährigen LaRose.

"Ein Lied für die Geister" setzt sich zusammen aus den Fragmenten verschiedener (fiktiver) Leben und überspannt mehrere Generationen. Es erzählt von Verlust, Schuld und Verrat, aber auch von Hoffnung, Vergebung und Loyalität, und das immer vor dem Hintergrund der Geschichte der indianischen Urbevölkerung in den USA.

In meinen Augen ist es ein außergewöhnliches Buch, dem man Zeit geben muss und von dem man keine einfachen Lösungen erwarten sollte, das aber dennoch sehr lohnend ist.