Rezension (5/5*) zu Dunkelblum: Roman von Eva Menasse

Xirxe

Bekanntes Mitglied
19. Februar 2017
1.629
3.496
49
Buchinformationen und Rezensionen zu Dunkelblum: Roman von Eva Menasse
Kaufen >
Dunkelblum ist überall

Und schon wieder ein Buch über die Nazivergangenheit - hat man doch bereits -zigmal gelesen, mag so Manche/r denken.
Aber dieses Buch ist etwas Besonderes und unbedingt lesenswert, auch wenn der Inhalt vielleicht nicht ganz so überraschend sein mag.

Dunkelblum ist eine fiktive Kleinstadt in unmittelbarer Nähe der Grenze zu Ungarn, dort "wissen die Einheimischen alles voneinander, und die paar Winzigkeiten, die sie nicht wissen, die sie nicht hinzuerfinden können und auch nicht einfach weglassen, die sind nicht egal, sondern spielen die allergrößte Rolle: Das was nicht allseits bekannt ist, regiert wie ein Fluch."
Meist sind es Dinge aus der Vergangenheit, damals als der Horka der Schrecken des Ortes war. Während der Naziherrschaft konnte dieser ohne Folgen seinen sadistischen Neigungen nachgehen und als die Russen das Sagen hatten, brachte er es sogar zum Polizeichef. Doch nun, es ist 1989, beginnt die junge Generation sich für längst Vergangenes zu interessieren: Die jüngste Tochter des Biobauern plant mit dem Dorfchronisten ein Heimatmuseum und beginnt, unangenehme Fragen zu stellen. Und aus der Hauptstadt reisen Studierende an, um den örtlichen jüdischen Friedhof zu restaurieren. Als auf einer Wiese ein Skelett gefunden wird und die Presse davon Wind bekommt, wird das Interesse an Dunkelblums Vergangenheit immer größer, die wider Willen der BewohnerInnen deutlich bis in die Gegenwart reicht.

Eva Menasse präsentiert uns hier eine Vielzahl von Menschen eines Ortes, die aufgrund ihrer Herkunft alle miteinander verbunden sind, im Guten wie im Schlechten. Einen solchen Mikrokosmos zu entwerfen haben bereits Andere vor ihr gemacht (beispielsweise Juli Zeh in Unterleuten oder Raphaela Edelbauer in Das flüssige Land), doch nicht mit derart feinen Verflechtungen innerhalb eines sozialen Netzes und ebenso nicht mit diesem wundervoll schwarzhumorig-ironischen Tonfall.
"Unserer Frau Balaskó hat sie gesagt, sie sucht nach Dunkelblumer Kriegsverbrechern, stell dir das vor, Kriegsverbrecher, bei uns! Das Mädel ist Anfang zwanzig, früher haben sich die jungen Leute für was anderes interessiert, für Tanzen und Flirten . . .".

Auch wenn die Geschichte auf der des realen Ortes Rechnitz beruht, ist es keine Aufarbeitung der dortigen Geschehnisse. Es geht um den Umgang mit der Vergangenheit Jahrzehnte danach: Verdrängung, Rechtfertigung, Verleugnung ... Und was mit den Menschen geschehen ist und geschieht, wenn sich die Wahrheit ans Licht drängt. Ein grandioses Buch!

von: Astrid Lindgren
von: Kent Haruf
von: Markus Gasser