Rezension (5/5*) zu Du musst verrückt sein, wenn du trotzdem glücklich bist von Kopano Matlwa

otegami

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17. Dezember 2021
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Buchinformationen und Rezensionen zu Du musst verrückt sein, wenn du trotzdem glücklich bist von Kopano Matlwa
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Südafrikanische Probleme?

‚Die Ausländer fressen uns alles weg‘, ist keine Aussage aus Deutschland, sondern aus Südafrika! Dieser Rassismus war mir bisher nicht bewusst und bewegte mich mit seinen Auswüchsen sehr!

Die Ich-Erzählerin Masechaba schreibt in ihr Tagebuch alles, was sie bewegt, ob es die extrem heftigen Regel-Blutungen sind, die ihr Leben einschränken und sie zur Einzelgängerin machen, oder ihre starke Beziehung zu ihrem Bruder und einzigen Freund Tshiamo, der sich das Leben nahm und auch von ihrem Arbeitsalltag als Assistenzärztin, überlastet wie überall auf dieser Welt.

Ich freute mit ihr am Tag ihrer Promotionsfeier und dass sie mit ihrer Freundin Nyasha in eine Wohnung nahe beim Krankenhaus zusammenzog. ‚Nyasha war so tapfer, so witzig, so kompromisslos‘ und aus Simbabwe – sie will immer kämpfen. Von Masechabas Ma (kirchentreu, gottesfürchtig und menschenfreundlich) wird Nyasha jedoch vehement abgelehnt: sie runzelt jedes Mal die Stirn, wenn Nyasha erwähnt wird und probiert auch nie vom Essen, das diese gekocht hat. Einfach aus dem Grund, weil Nyasha Ausländerin ist.

Ich las von den Nachrichten, die im Fernsehen liefen und von brennenden Baracken, brennenden Läden und verbrannten Menschen berichteten - von fremdenfeindlicher Gewalt, die sich wie ein Buschfeuer ausbreitet.
Und dann werden wir ca. in der Mitte des Buches mit der ‚Korrekturvergewaltigung‘ Masechabas konfrontiert und danach ist nichts mehr, wie es vorher war. Das anschließende Hadern mit Gott in ihrem Tagebuch geht gewaltig unter die Haut! Ebenso die Reaktion von Nyasha mit ihrem Rat, es niemanden zu erzählen, weil es den Weißen nur noch mehr Munition gäbe, ‚uns niederzumachen‘!

Ernüchternd und erschütternd die Erkenntnis der Protagonistin auf S. 169: „Ich bin nur ein weiterer Fall für die südafrikanische Vergewaltigungsstatistik. An meiner Geschichte ist nichts Besonderes, sie passiert überall, tagtäglich. Es spielt keine Rolle, dass ich hochgebildet bin, dass ich eine Petition aufgesetzt habe, die es bis in die Zeitung geschafft hat. Ich habe eine Scheide. Nur das zählt.“

Die 1985 geborene Autorin Kopano Matlwa, auch Ärztin, ausgezeichnet mit dem European-Union-Literary Award, hat mich mit diesem Roman gewaltig aufgewühlt: in der klaren Sprache und ihren zahlreichen Hinweisen auf die vorhandenen Missstände. Von ihr hoffe ich, noch weitere Bücher lesen zu können! Deshalb: überzeugte 5 Sterne und eine absolute Leseempfehlung!


 

GAIA

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27. Dezember 2021
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Thüringen
Ernüchternd und erschütternd die Erkenntnis der Protagonistin auf S. 169: „Ich bin nur ein weiterer Fall für die südafrikanische Vergewaltigungsstatistik. An meiner Geschichte ist nichts Besonderes, sie passiert überall, tagtäglich. Es spielt keine Rolle, dass ich hochgebildet bin, dass ich eine Petition aufgesetzt habe, die es bis in die Zeitung geschafft hat. Ich habe eine Scheide. Nur das zählt.“
Diese Sätze haben sich beim lesen so ins Herz gebohrt. Auch ich hatte in meiner Rezi genau dieselbe Passage zitiert. Da sind wir genau auf einer Wellenlänge! Toll, dass dir der Roman auch so gut "gefallen" (man will es ja eigentlich nicht so nennen) - vielleicht dich genauso "beeindruckt" hat - wie mich.
 

otegami

Bekanntes Mitglied
17. Dezember 2021
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Auch ich hatte in meiner Rezi genau dieselbe Passage zitiert.
Ich hatte ja erst Hemmungen deswegen, aber diese Passage musste einfach auch bei mir rein, so wie sie mir unter die Haut ging! ;)
Toll, dass dir der Roman auch so gut "gefallen" (man will es ja eigentlich nicht so nennen) - vielleicht dich genauso "beeindruckt" hat - wie mich.
Da sprichst Du mir voll aus dem Herzen! Bei 'gefallen' bekommt man da richtige Skrupel! :thumbsup
 
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GAIA

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27. Dezember 2021
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Thüringen
Ich hatte ja erst Hemmungen deswegen, aber diese Passage musste einfach auch bei mir rein, so wie sie mir unter die Haut ging! ;)
Jetzt könnten vielleicht andere, die unsere Unterhaltung unter dieser Rezi lesen und das Buch nicht kennen denken, dass es nicht genügend andere Zitate aus dem Buch gebe. Dem ist nicht so! Das ganze Buch ist zitierwürdig, aber diese Stelle ist einfach so schmerzhaft und trotzdem nüchtern formuliert, dass sie das Buch und dessen Stil sehr gut widerspiegelt.
 

Kristall86

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22. März 2021
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44
An der Nordseeküste
Jetzt könnten vielleicht andere, die unsere Unterhaltung unter dieser Rezi lesen und das Buch nicht kennen denken, dass es nicht genügend andere Zitate aus dem Buch gebe. Dem ist nicht so! Das ganze Buch ist zitierwürdig, aber diese Stelle ist einfach so schmerzhaft und trotzdem nüchtern formuliert, dass sie das Buch und dessen Stil sehr gut widerspiegelt.
Ihr macht es einem sehr leicht dieses Buch lesen zu wollen;)
 

Maria Braig

Aktives Mitglied
15. Dezember 2017
204
487
34
Osnabrück
www.maria-braig.de
Vielen Dank

Vielen Dank. Ich glaube es wird heiß - dann wird es ein Lesewochenende in der Hängematte :)
Ich habe eine ganze Weile gebraucht für das nicht allzu dicke Buch, weil ich es immer wieder weglegen und etwas anderes lesen musste. Sehr krass und vor allem sehr deprimierend. Eigentlich genügt bereits der Alltag als Ärztin, wie sie ihn beschreibt, um jede Hoffnung aufzugeben.
 
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