Rezension Rezension (5/5*) zu Drei Tage und ein Leben: Roman von Pierre Lemaitre.

RuLeka

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30. Januar 2018
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Buchinformationen und Rezensionen zu Drei Tage und ein Leben: Roman von Pierre Lemaitre
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Psychologisch interessant und unglaublich packend

Mich hat der letzte Roman von Pierre Lemaitre " Wir sehen uns dort oben", für den er 2013 den Prix Concourt erhielt, völlig begeistert. So war ich gespannt auf sein neues Buch " Drei Tage und ein Leben" und ich wurde nicht enttäuscht.
Der französische Autor erzählt die Geschichte chronologisch in drei Zeitabschnitten. Es beginnt am Tag vor Weihnachten im Jahr 1999. Hauptfigur des Romans ist Antoine, der zu Beginn 12 Jahre alt ist. Er lebt mit seiner Mutter- der Vater hat die Familie schon vor Jahren verlassen- in einer Kleinstadt in Frankreich. Etwas frustriert baut er allein an einer Baumhütte, seine gleichaltrigen Freunde spielen lieber mit der nagelneuen PlayStation. In einem Anfall von Wut schlägt er den kleinen Nachbarjungen mit einem Stock und muss dann voller Entsetzen feststellen, dass er den 6jährigen getötet hat. In seiner Panik versteckt er die Leiche im Wald. Bald wird im Ort eine große Suchaktion gestartet. Alle wollen der verzweifelten Familie des vermissten Kindes beistehen. Der Leser ist nun ganz nah bei dem jugendlichen Mörder. Er erlebt seine Verzweiflung, seine Reue, aber auch seine Angst vor der Entdeckung. Was soll er tun? Soll er sich stellen? - Das kann er seiner Mutter nicht antun. Er plant seine Flucht und verwirft die Idee wieder. Soll er sich umbringen? - Der Versuch schlägt fehl. Da kommt ihm die Natur zu Hilfe. Ein Jahrhundertsturm legt das ganze Dorf lahm und hinterlässt eine Spur der Verwüstung. Alle sind danach mit ihren eigenen Sorgen beschäftigt, die Suche nach dem Kind wird zweitrangig.
Zwölf Jahre später kehrt Antoine auf einen Besuch in seinen Heimatort zurück. Er studiert mittlerweile Medizin und hat eine attraktive Freundin. Die Angst vor der Entdeckung und seine Schuldgefühle haben ihn nie verlassen. Aber es ist ein ganz anderer Fehltritt, der ihm schließlich zum Verhängnis wird.
Und am Ende der Geschichte überrascht der Autor den Leser nochmals mit einer neuen Wendung.
Pierre Lemaitre hat hier einen psychologisch interessanten und unglaublich packenden Roman vorgelegt. Mit viel Einfühlungsvermögen, aber trotzdem nüchtern beschreibt er die seelischen Nöte seines Protagonisten. Ihm geht es nicht darum, die Motive hinter der Tat zu erklären, sondern zu zeigen, wie jemand mit so einer Schuld weiterlebt. Auch die Atmosphäre im Ort, die Beziehungen der Bewohner untereinander werden genau eingefangen.
Dieses Buch habe ich in kürzester Zeit gelesen und es beschäftigt mich noch immer.
Von mir gibt es also eine unbedingte Leseempfehlung!