Rezension Rezension (5/5*) zu Die Zeuginnen: Roman von Margaret Atwood.

G

Gelöschtes Mitglied 2403

Gast
Ein weiterer Blick nach Gilead

Hier haben wir den so lange schon her gesehnten zweiten Teil der Reihe um das Land Gilead. 1985 erschien Der Report der Magd in Englisch, 1987 in Deutsch, ich habe den Report erst dieses Jahr gelesen und ich fand ihn unglaublich gut. Trotzdem dieses Buch schon vor langer Zeit geschrieben wurde, erscheint es in keiner Weise altbacken. Dieses Düstere, diese Tiefe und dieses Schwere, was durch die Lektüre des Buches in den Leserinnen ausgelöst wird, ist schon bemerkenswert und zeugt auch von einem ungeheuren Können der Margaret Atwood. Nachdem der Report so sehr bei mir eingeschlagen hat, war ich natürlich sehr gespannt, wie wohl Die Zeuginnen wirken werden. Über dreißig Jahre nach dem Report ist es äußerst interessant wie die Atwood jetzt auf Gilead blickt.

Und ich wurde nicht enttäuscht, was einerseits gewiss schwer ist, nach diesem Erfolg vom Report, aber andererseits hat Frau Atwood bei mir sicher schon einen gewissen Heimvorteil, sie ist nach dem Report und nach dem blinden Mörder auf meiner imaginären Autorenliste recht weit nach oben geklettert. Ihre Art zu schreiben, ihr etwas besonderer und auch etwas boshafter Humor und ebenso ihre Sicht auf den Menschen gefallen mir sehr.

Nun kommt dieses Buch vom Klang und vom Gefühl beim Lesen deutlich anders an als der Report der Magd. Dieses vorhin beschriebene düstere und dunkle Gefühl habe ich hier deutlich weniger wahrgenommen. Dies mag vielleicht auch daran liegen, dass hier keine neue Welt auf die Leserin einwirkt, man weiß schon wo man sich befindet, der Schock ist nicht mehr ganz so groß. Andererseits sprechen auch drei verschiedene Frauen, unterschiedlichen Situationen und Klassen entstammend, unterschiedlichen Altersklassen angehörend, aus unterschiedlichen Orten kommend, so unterschiedlich sind dann auch ihre Wahrnehmungen und Sichten. Aber alle drei sind keine Mägde und haben auch nicht dieses Entsetzliche erleben müssen, was Desfred im Report erdulden muss.

Durch diese drei Zeuginnen erhalten wir neue Blickpunkte auf Gilead, bekommen neue äußerst interessante Informationen und Gilead wird nachvollziehbarer und das ganze System dieses furchtbaren Gebildes wird etwas begreifbarer. Die ganze Geschichte erzeugt wieder einen ganz besonderen Sog, ich konnte dieses Buch wieder ganz schlecht aus der Hand legen. Es kommt in meinen Augen nicht ganz an den Report heran, aber das liegt ganz sicher am Zauber des ersten Teils, dem Entdecken einer neuen Welt, hier ist die Welt schon bekannt und nicht mehr so überraschend. Trotzdem ist dieses Buch für mich wieder ein fünf Punkte Buch!

Das etwas hastig herbeigeführte Ende könnte bedeuten, dass es weiter geht in Gilead, ich hoffe dies sehr und warte gespannt!

Und wieder kann ich nur sagen, bitte unbedingt Lesen!