Rezension Rezension (5/5*) zu Die Optimisten von Rebecca Makkai.

Mikka Liest

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14. Februar 2015
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Hilter am Teutoburger Wald
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Buchinformationen und Rezensionen zu Die Optimisten von Rebecca Makkai
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Ein Buch, das nicht spurlos am Leser vorbeigeht

Das Original, “The Great Believers”, rief in der englischsprachigen Literatur eine enorme Resonanz hervor – als habe der Roman endlich, endlich eine Lücke geschlossen, endlich ein kaum überwundenes Trauma in die richtigen Worte gefasst.

Eine zugleich begeisterte und erschütterte Rezension folgte auf die nächste, der Roman wurde für einige Preise nominiert und gewann auch zahlreiche davon.

Ich kann kaum in Worte fassen, was dieses Buch in mir hervorrief.

Ich erinnere mich noch an die Zeit, als Aids sich das erste Mal durch die Nachrichten brannte wie ein Buschfeuer. Der Schock, aber vielerseits auch die direkt folgende Beschwichtigung: Gott sei Dank, dass mir das nicht passieren kann – das betrifft ja nur die Schwulen. (Erst später wurde klar: Aids kann auch Hetereosexuelle treffen.)

Und so rückte eine Minderheit auf die furchtbarste Art ins Rampenlicht, während ihr Leid zugleich reißerisch ausgeschlachtet und marginalisiert wurde.

Rebecca Makkai zollt diesem Leid drei Jahrzehnte später Respekt und echtes Mitgefühl.
Das liest sich durchaus spannend, das liest sich sogar unterhaltsam, aber es reißt auch tiefe Wunden ins Leserherz, es bewegt, verstört und wühlt auf. Die Charaktere sind glaubhaft und komplex, und man hat immer im Hinterkopf: Wirst du das Buch überleben? Und du? Und du? Bitte, wenigstens du… Es schnürt einem die Kehle zu – und ja, ich habe geweint.

Das ist meisterhaft geschrieben, in einer Sprache, die die Atmosphäre der Zeit und die Gefühle der Protagonisten mühelos zum Leben erweckt – da trifft jeder Satz ins Mark. ‘Zum Leben erweckt’? Da bin ich gerade vor meinen eigenen Worten erschrocken, die ungewollt zynisch wirken, wo doch nur wenige Charaktere das Buch überleben.

Warum soll man das lesen? Warum sollte man sich das antun?

Warum liest man überhaupt Bücher, die auf wahren Begebenheiten beruhen, wenn diese Begebenheiten schrecklich waren? In meinen Augen tut man das (auch), weil man die menschliche Natur verstehen will, die sich nie so prägnant und glasklar zeigt wie in Zeiten der Angst und des Schmerzes. “Die Optimisten” erfüllt genau dieses Bedürfnis nach Verstehen und Verständnis.

Und der Roman zeigt ja nicht nur das Leid und den Schmerz, sondern auch die Hoffnung, die bedingungslose Liebe und die tief empfundene Freundschaft, ein wahres Kaleidoskop an Gefühlen. Da wird nichts künstlich aufgebauscht, nichts dramatisiert, aber auch nichts geschönt oder verharmlost.

Die Autorin lässt die Gefühle der Charaktere, stellvertretend für die Gefühle der damals tatsächlich Betroffenen, ganz unaufdringlich einfach nur wirken. Sie gibt den Betroffenen eine Stimme und sie gibt auch den Schuldgefühlen der Überlebenden Raum. Und das wirkt so echt, dass man sich kaum vorstellen kann, dass Yale und seine Freunde nie wirklich gelebt haben.

Der zweite Handlungsstrang im Jahr 2015 öffnet eine Tür für die Hoffnung.

Hier wird deutlich: Heilung nach einem traumatischen Erlebnis ist möglich, doch erst müssen die eigenen Gefühle aufgearbeitet werden. Fiona, die die meisten ihrer Freunde überlebt hat, begreift, dass sie die Vergangenheit endlich loslassen muss, um das Verhältnis zu ihrer Tochter zu retten.

Dieser Teil des Buches ist bitter nötig, denn wenn das Leid dargestellt wird, sollte auch die Hoffnung nicht verschwiegen werden. Der Autorin gelingt hier meines Erachtens die genau richtige Balance, ohne als Mehrgenerationenroman in die Kitsch-Falle zu tappen.

Fazit

In Chicago des Jahres 1985 rafft ein neuer Virus junge, bisher gesunde Männer aus der Schwulenszene dahin: Aids, das erst gar nicht ‘Aids’ hieß, sondern ‘Gay People’s Immuno Deficiency Syndrome’, weil man da noch dachte, es könne nur Schwule betreffen. Der junge Kunstexperte Yale muss zusehen, wie seine Freunde reihenweise sterben – immer in der Angst, er könnte der Nächste sein.

Dreißig Jahre später wird Fiona, die Nichte eines Aids-Opfers, die im Kreise seiner größtenteils ebenfalls verstorbenen Freunde aufwuchs, erneut mit dieser Epoche konfrontiert.

Rebecca Makkai beschreibt die Zeit, in der es noch keine Medikamente gegen Aids gab und Abertausende von Menschen auf furchtbare Art und Weise starben, ungeschönt, dabei aber nicht sensationsheischend, sondern mit Empathie und großem Respekt. Das geht unter die Haut, ist aber gerade deswegen sehr lesenswert.

 

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