Rezension (5/5*) zu Die militante Madonna: Roman von Irene Dische

ulrikerabe

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14. August 2017
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Wien
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Wie ich viel Freude an diesem Buch hatte

Wir befinden uns im 18. Jahrhundert. Chevalier D’Eon ist Botschafter für den französischen König in London. Ein Diplomat, begnadeter Spion, Lebenskünstler. Doch es steckt eine zweite Seite in unserem Protagonisten, eine weibliche, die sich schmückt, Frauenkleidung trägt, mit dem Degen aber ganz genau so geschickt umgeht wie mit ihrer spitzen Zunge.

„…als ich noch gertenschlank und bildhübsch wie eine junge Frau war, konnte ich fechten, fluchen und rauchen wie ein widerlicher alter Mann. Für dieses Gottesgeschenk sollte man mich beneiden und nicht bemitleiden.“

Es ist eine historische Persönlichkeit, die die amerikanische Schriftstellerin Irene Dische in ihrem Roman „Die militante Madonna“ vorstellt. D‘Eon gilt als erster Transvestit der Weltgeschichte, der Eonismus bezeichnet den Wunsch von Männern, sich wie Frauen zu kleiden.

Die Handlung setzt ein, als D’Eon für den französischen König Louis XV. in London das Amt eines Botschafters bekleidet. Es ist eine äußerst spannende Zeit, politisch und gesellschaftlich liegen Frankreich und England nicht gleich auf. Es ist eine Zeit der Intrigen, politischer Umbrüche, Gerüchte werden gezielt in Umlauf gesetzt. Doch nicht nur diese Ereignisse lassen uns durchaus auch an heutige Verhältnisse denken. Wir sehen hier ganz klar, dass die Genderdiskussion keine Frage unserer Zeit, keine Modeerscheinung ist. Während in London Wetten auf die Geschlechtszugehörigkeit D’Eons laufen, lässt uns die Autorin darüber im Unklaren.

Irene Dische trifft nicht nur den manieriert affektierten Ton der damaligen Oberschicht, sie lässt D’Eon sprichwörtlich durch alte Gemäuer spuken und gegenwärtige Befindlichkeiten kommentieren.
Ob D’Eon nun Mann oder Frau, trans, genderfluid, nicht binär oder schlicht ein Chamäleon war, der sich den Gegebenheiten bestmöglich opportun anpassen konnte? In Irene Disches Roman gibt es nur sehr wenige Personen, die D’Eon gekannt oder erkannt haben.

Jedenfalls ist D'Eon eine herrlich (sic!) schillernde Figur. Ich glaube, der war wirklich so.