Rezension (5/5*) zu Die Liebenden von Bloomsbury – Virginia und die neue Zeit von Stefanie H. Mart

petraellen

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11. Oktober 2020
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Der Grundstein „Ein Zimmer für sich allein“

Autorin
Stefanie H. Martin

Inhalt
1903 gründen Virgina Woolf, ihre Schwester Vanessa und ihre Brüder eine Wohngemeinschaft in Bloomsbury. Ihr Ziel liegt in der Gestaltung der freien Kunst und des freien Denkens. Doch für unverheiratete Frauen setzt die Gesellschaft andere Kriterien fest. Freiheitliche Kunst und Denken sind außer aller Normen. Virgina soll heiraten und der Gesellschaftsnorm entsprechen.

Sprache und Stil
Der Roman umfasst die Zeit von 31. Dezember 1903 bis 9. Mai 1909. Er ist der erste Teil einer Trilogie um Virgina Woolf, Vanessa Bell und Vita Sackville-West.
Bloomsbury ist ein Stadtteil in London. Das größte Museum des Vereinigten Königreichs, das Britische Museum, liegt in Bloomsbury. Bekannt ist Bloomsbury ebenso durch die Bloomsbury-Gruppe, einer Gruppe britischer Intellektueller, zu der die Schriftstellerin Virginia Woolf gehört.
Die Gruppe befasst sich mit Philosophie, Literatur und Kunst.

„Sie alle konnten auf eine umfassende klassische Bildung zurückgreifen, wenn sie miteinander diskutierten.“ (S. 480)

Dabei waren sie auch weltoffen und traten für Erneuerungen der gesellschaftlichen Vorgaben ein.

„Die Bloomsberries waren nicht nur Intellektuelle, sie waren vor allem auch Rebellen, die sich gegen das moralische Korsett ihrer viktorianischen Elternhäuser auflehnten.“ (S. 480 f.)

Der Roman ist in 39 chronologisch geordneten Kapiteln aufgebaut. Er beginnt im Jahr 1903. Vanessa und Virgina machen einen Ausflug nach Bloomsbury, um sich Häuser für einen bevorstehenden Umzug anzuschauen. Ihr Vater liegt im Sterben, und sie werden nach seinem Tod das große Haus nicht mehr halten können.
Stefanie H. Martin beschreibt eindrucksvoll die Anfänge der Schriftstellerin Virgina Woolf in Bloomsbury, die eine zentrale Position in der Bloomsbury Group einnahm. Bereits in dieser Zeit werden die Anzeichen einer psychischen Erkrankung von Virgina deutlich.
Ein Vorfall in Paris im Atelier von Rodin, als Virgina trotz eines Verbotes eine Statue enthüllt, macht dies deutlich.

„Mit einem kräftigen Ruck riss Virginia das Tuch herunter.“ (S. 40)

Sie sah aus Marmor geschaffen einen weiblichen Torso. Danach war ihr „Zorn auf dem kühlen Marmor verglüht“. Sie fühlte sich zunächst befreit, doch dann überwältigte sie "Scham über ihre Tat“.

„Am liebsten hätte sich Virgina die Ohren zugehalten. Das Hämmern um sie herum hallte in ihrem Kopf wider und schien ihn spalten zu wollen. […] Jetzt, da ihr Zorn auf dem kühlen Marmor verglüht war, überkam sie die Scham über ihre Tat. Noch schlimmer jedoch war der Schmerz, der sich vom Nacken aus über ihren gesamten Kopf ausbreitete." (S. 40 f.)

Neben Virginia Woolf`s innovativen künstlerischen und gesellschaftlichen Ideen innerhalb der Gruppe, entstehen ihre ersten literarischen Werke.
Woolf legt in Bloomsbury den ersten Grundstein für ihren Einsatz in der Frauenbewegung. Ihr Essay „Ein Zimmer für sich allein“ entstand 1929 mit dem Thema „Frauen und Literatur“. „Ein Zimmer für sich allein“ übersetzt aus dem Englischen „A Room of One's Own“ gilt bis heute als Metapher für die Frauenbewegung.
Das Thema Frauen in der Gesellschaft der viktorianischen Zeit wird noch einmal am Ende des Romans deutlich. Im letzten Kapitel, datiert auf den 29. Mai 1909, überlegt Virgina, wie sie die letzte Szene in ihrem Roman Melymbrosia gestalten soll. Im Zentrum der Handlung steht die Rollenverteilung der Frauen in der Gesellschaft, insbesondere die Situation von verheirateten und unverheirateten Frauen.

Sie entscheidet sich für den Tod ihrer Heldin Rachel, weil ihr von Anfang an klar war, dass der Roman keinen glücklichen Ausgang haben konnte.

„Inzwischen war klar, dass Rachel sterben musste. Ihre Heldin aus Melymbrosia hatte ihre Naivität verloren, hatte gestritten, getanzt, sich ereifert und sich verliebt." (S. 473)

Die Autorin Stefanie H. Martin greift die Biografie von Virginia Woolf gut recherchiert auf. Sie geht auf die historischen Ereignisse der damaligen Zeit ein, in der sich Virginia Woolf bewegt. Weniger die literarischen Werke stehen im Vordergrund, dafür mehr die Person Virginia Woolf mit ihren Gefühlen, ihren Gedanken, ihrem Umfeld.
Virgina findet in Leonard Woolf einen Ehepartner, der ihr, wenn auch in einer unromantischen Ehe, die Freiheit für die Literatur und Liebe einräumt.

Die Sprache spiegelt die Atmosphäre der Epoche wider. Im Wechsel mit Dialogen und Briefen entsteht eine abwechslungsreiche Biografie, die durch chronologische, mit genauen Daten versehenen Kapiteln den Eindruck eines Tagebuches entstehen lassen.

Fazit
Der Roman legt den Fokus von Virgina Woolf auf eine vielschichtige Persönlichkeit in einer privaten, oft von Krisen durchschüttelten Welt der berühmten Schriftstellerin, weniger auf ihre literarischen Werke. Woolf übt Gesellschaftskritik und gehört zu den führenden Köpfen der Frauenbewegung. Ihre Äußerungen und Handlungen im viktorianischen England erregen Aufsehen.

„Suffragettengeschwätz. Hatte sie sich tatsächlich zu Geschwätz hinreißen lassen? Es wäre leicht, seine Kritik abzutun, immerhin war er ein Mann.“ (S. 426)

„Die Liebenden von Blomsbury“ mit dem Untertitel „Virgina und die neue Zeit“ ist der Auftakt einer Trilogie.



Die liebenden von Bloomsbury, Virginia und die neue Zeit
Verlag Aufbau Taschenbuch, 21.06.2022

Gehört zur Serie
Bloomsbury-Saga
Bandnummer1



Arbeit zitieren
Autorin Petra Gleibs, Mai 2022, Buchvorstellung Stefanie H. Martin, Die Liebenden von Bloomsbury, Virginia und die neue Zeit


 
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