Rezension Rezension (5/5*) zu Die Kirschvilla: Roman von Hanna Caspian.

Momo

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10. November 2014
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Buchinformationen und Rezensionen zu Die Kirschvilla: Roman von Hanna Caspian
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Gelungener Erzählstoff

Ich muss sagen, mich hat das Buch überrascht. Es hat besser abgeschnitten, als ich erst gedacht habe. Schon der Titel klingt recht trivial und das Cover sieht auch nicht besonders anspruchsvoll aus. Selbst meine Lesefreundinnen haben mich wiederholt auf das Buch angesprochen, dass es so gar nicht die gewohnte Art an Lektüre sei, die ich sonst immer lesen würde. Nun ja, in letzter Zeit habe ich insgesamt recht merkwürdige Bücher gelesen ... Und sicher haben sich manche schon über meinen abstrusen Lesegeschmack der letzten Tage gewundert. Manchmal muss man eben auch mal in andere Gefilde treten, um Neues zu erleben, selbst wenn die Theorien so völlig aus dem Rahmen fallen.

Das Buch hat mir deshalb gut gefallen, weil es auch gut geschrieben ist. Bis auf wenige Ausnahmen fand ich den Schreibstil gar nicht mal trivial. Und auch die Charaktere der Figuren waren recht differenziert gestaltet, und die gesamte Familienthematik in dem Roman fand ich spannend dargestellt. Ich habe mich in keiner Zeile gelangweilt und jede Seite las ich mit großem Interesse.

Zur Erinnerung gebe ich erneut den Klappentext rein:

"Isabell und ihre Großmutter Pauline treten ein Erbe in Köln an – Paulines Geburtshaus. Doch die alte Villa am Rheinufer birgt dunkle Geheimnisse. Bald sieht sich Isabell mit der Frage konfrontiert, ob ihr Liebesglück mit den Geheimnissen ihrer Familie zusammenhängt. Denn ausgerechnet Julius, Isabells neue Liebe, scheint tief in die schmerzliche Familientragödie verstrickt. Doch schließlich geben zwei Tagebücher aus den 1920er-Jahren, die die Zeit überdauert haben, Auskunft über die schockierenden Geschehnisse am Rheinufer – und über Wahrheiten, die niemand gerne über seine Familie erfährt."

Allerdings war der Ausgang mancher Episoden für mich vorhersehbar, auch wenn die Autorin sich große Mühe gegeben hat, mich als Leserin ein wenig zu überraschen oder mich auf die falsche Fährte zu locken. Ich wusste sehr wohl, dass Pauline, die Großmutter von Isabell, nicht das Kind von C. ist. Trotzdem fand ich die ganze Geschichte interessant. Diese Familiendynamik hat mich doch gefangen genommen. Und die vielen Fäden, die die Autorin gekonnt in ihren Händen hielt, und sie diese so bewegen konnte, ohne sich zu verheddern. Ein Erzählstoff, der sich über vier Generationen bewegt, da ist man doch gefordert, geistig den Überblick nicht zu verlieren.

Man kann nur froh darüber sein, dass es solche Familien, wie sie in diesem Buch beschrieben wird, mit dieser schweren Belastung, nicht zu häufig in der Gesellschaft gibt. So eine große Last, die alle Familienmitglieder zu tragen hatten, da fragte man sich als stille Leserin schon, ob die Autorin nicht zu dick aufgetragen hat? Die Charaktere zumindest wirkten alle sehr authentisch.

Das einzige triviale an der ganzen Geschichte war neben dem Buchtitel und das Cover der Fluch, der auf der Familie zu lasten droht. Für mich gibt es keine Flüche. Jeder Mensch ist für die Gestaltung seines Lebens selbst verantwortlich. Dieser gewalttätige August Korte, der schon krumme Geschäfte machte, noch bevor er mit seiner sechsköpfigen Familie in die Villa eingezogen ist, hat die Villa durch Glücksspiele gewonnen, und der Verlierer kündigte ihm an, dass die Villa ihm kein Glück gebracht habe, und er werde auch ihm, August und seiner Familie, auch kein Glück bringen ...

Menschen, die Eigentum durch Glücksspiele gewinnen oder verlieren, und damit nicht nur das eigene Leben, sondern auch das Leben der Familie aufs Spiel setzen, das sind Menschen mit großer Charakterschwäche und das hat nichts mit Flüchen zu tun. Aber fiktional haben die AutorInnen das Recht, ihre Themen so zu kleiden, wie es ihnen beliebt. Aber der Erzählstoff muss authentisch, differenziert und darf nicht kitschig und sentimental wirken. Zumindest nicht für mich. Und dies alles erfüllt die Autorin mit ihrem Buch.


Mein Fazit ?

Toller Erzählstil, interessante Kulissen, jede Menge Erzählperspektiven, auch das Hin- und Herspringen von nichtchronologischer Abläufe von Vergangenheit und Gegenwart hat mir sehr gut gefallen, da ich mich geistig gefordert gefühlt habe. Ich würde das Buch jeder Zeit wieder lesen.

Auf meinem Blog hat das Buch elf von zwölf Punkten erhalten.