Rezension (5/5*) zu Die kalte Kralle: Ein Fall für Karl Kane (Band 3) von Sam Millar

Sebastian

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18. April 2014
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Ostharingen, Niedersachsen, Germany
Buchinformationen und Rezensionen zu Die kalte Kralle: Ein Fall für Karl Kane (Band 3) von Sam Millar
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Irischer Hardboiled-Thriller vom feinsten

Sam Millar gilt als Irlands kontroversester Autor - und wer seine Biografie "On The Brinks" (dt. "True Crime") gelesen hat, kann auch verstehen warum. Sam war Mitglied der IRA, inhaftiert in den berüchtigten H-Blocks und an den berühmten Blanket-Protests beteiligt. Er ist illegal in die USA eingewandert und hat wurde mit dem berühmten Überfall auf einen Brinks-Geldtransporter zu einer persona non grata in den Vereinigten Staaten. Und auch heute noch ist Millar jemand, der mit seiner Meinung, insbesondere zur britischen Irland-Politik, nicht hinter dem Berg hält. Daneben ist er aber auch ein toller Autor, wie sowohl seine Biografie als auch seine Krimi-Reihe um den Privatdetektiv Karl Kane zeigen - und ganz nebenbei ist er im persönlichen Gespräch auch noch ein äußerst freundlicher und zuvorkommender sowie dankbarer Interviewpartner.
"Die kalte Kralle" ist nun der dritte Band der Karl-Kane-Reihe und leider auch der letzte, der bislang in Deutschland erschienen ist. Da der Atrium-Verlag es versäumt hat, die Nummerierung auf Cover zu packen (was bei dem schicken Buchdeckel aber auch fast schon ein Sakrileg gewesen wäre), habe ich nach dem ersten Roman nun also mittendrin weitergemacht. Schadet aber nicht, denn das Buch ließ sich auch mit einer Lücke in der Chronologie ohne Probleme und das Gefühl, etwas verpasst zu haben, lesen. Wer also einen Millar-Roman in die Griffel bekommt, kann ohne Bedenken zuschlagen - denn, soviel sei gleich eingangs erwähnt, es lohnt sich in jedem Fall. Millar gelingt es vom Start weg, eine dreckige und räudige Atmosphäre über seine Geschichte zu legen und dabei die Welt, in der sie spielt (also die Welt, in der er aufgewachsen ist) greifbar und realistisch zu machen. Verbunden mit dem hohen Spannungsbogen und einem hohen, aber nicht zu schnellen Erzähltempo wird "Die Kalte Kralle" schnell zu einem echten Pageturner.

Was aber noch viel tragender ist als Story und Feeling ist der Hauptakteur. Meine Damen und Herren, ich präsentiere Karl Kane, eine waschechte belfaster Hard-Boiled-Sau mit einer viel zu großen Klappe, einem sehr schwarzen und mitunter fragwürdigen Humor und der Angewohnheit, für seine Meinung lieber etwas auf besagte Klappe zu bekommen, als sie runterzuschlucken. Ich würde Karl jetzt zwar nicht als einen ausgemachten Sympathieträger bezeichnen, aber eines ist er in jedem Fall: ein Typ. Und zwar einer, den man nicht zwangsläufig mögen, für seine direkte Art aber respektieren muss - und nebenbei ist er auch noch der Aspekt des Romans, der "Die Kalte Kralle" wie auch schon dem Vorgänger noch mal eine ganz besondere Würze gibt.

Nun ist es bei Übersetzungen natürlich immer schwer, etwas zur Qualität des Autors selbst zu sagen, hier gibt es aber ein großes Aber. Na ja, eigentlich zwei. Das erste ist der Umstand, dass ich zwei von Millars Romanen im Original gelesen habe und mir darum einbilde, einen ganz guten Eindruck von der Übersetzung bekommen zu haben (sie gefällt mir ausgesprochen gut und ist dicht an der Originalschreibe). Das zweite Aber ist Joachim Körber, der bis heute mein liebster King-Übersetzer ist und dem es bislang in jeder (von mir bewusst wahrgenommenen) Arbeit gelungen ist, dem Autor eine eigene, unverwechselbare Stimme zu verleihen. So liegt der Fall auch hier.
Insgesamt kann man sagen, dass Sam Millars' "Die Kalte Kralle" für Freunde des mitunter nicht sehr politisch korrekten Hard-Boiled-Thrillers auf jeden Fall eine Empfehlung ist. Ich hatte großen Spaß an dem Buch und hoffe irgendwie immer noch darauf, dass sich ein neuer deutscher Verlag für die Folgeübersetzungen und andere Werke des Autoren, wie zum Beispiel den tollen Jugendroman "Blacks Creek" finden wird.