Rezension (5/5*) zu Die Hölle war der Preis: Roman nach einer wahren Geschichte von Hera Lind

  • Ersteller Gelöschtes Mitglied 6416
  • Erstellt am
  • Tagged users Kein(e)
G

Gelöschtes Mitglied 6416

Gast
Tief berührend

Die 25jährige Gisa Stein und ihr Mann Edgar wollen die Repressalien unter dem DDR-Regime nicht länger ertragen. Sie sehnen sich nach einem freien und selbstbestimmten Leben im Westen. 1974 werden sie auf der Flucht erwischt, verhaftet und verurteilt. Gisa kommt ins Frauengefängnis Hoheneck, wo sie 3 1/2 Jahre lang durch die Hölle geht.

Während des Lesens dieses auf Tatsachen beruhenden Romans ist es nicht möglich emotional ruhig zu bleiben. Kaum glaubt man, dass sich das, was man liest, in den 1970er Jahren mitten in Europa abgespielt hat. Es herrscht doch hierzulande Frieden, sollte man meinen, und doch werden Regimegegner immer noch bespitzelt und bis an die Grenzen des Erträglichen gequält und gedemütigt.
Das Ehepaar Stein hatte keine andere Schuld auf sich geladen, als das Land verlassen zu wollen, in dem sie für sich keine Zukunft sahen. In einer kalten Winternacht Anfang 1974 scheitert ihre Flucht in die BRD. Sie werden verhaftet und wie Schwerverbrecher behandelt.
Die damals 25jährige ehemalige Primaballerina Gisa Stein, genannt Peasy, wird zu 3 1/2 Jahren Zuchthaus verurteilt. Im hoffnungslos überfüllten Frauengefängnis Hoheneck muss sie neben Klein- und Schwerkriminellen ein unfassbares Martyrium ertragen. Allein ihre von liebevollen Eltern behütete Kindheit, ein hoher Grad an Geistes- und Herzensbildung, die durch das Tanztraining erworbene eiserne Disziplin, und vor allem die Liebe zu ihrem Mann, lassen sie an den seelischen und körperlichen Qualen nicht völlig zerbrechen.
Während des Lesens stellte sich mir unwillkürlich immer wieder die Frage, welcher Natur jene Frauen sein müssen, die als Aufseherinnen in solch menschenunwürdigen Einrichtungen arbeiten. Können darunter liebende Mütter, Töchter, Schwestern, Ehefrauen sein? Wie kann man dieses "Berufsleben" mit seinem Gewissen in Einklang bringen?
Erst 40 Jahre später ist es Peasy möglich, über ihre Erlebnisse zu berichten. Hera Lind hat sie zu einer unglaublich berührenden Geschichte verarbeitet, die sich sehr gut liest, und ein wichtiges Stück Erinnerungskultur darstellt. Was bleibt, sind Betroffenheit und Fassungslosigkeit angesichts dessen, wozu die menschliche Natur fähig ist.

 

Beliebteste Beiträge in diesem Forum