Rezension Rezension (5/5*) zu Die Hochhausspringerin: Roman von Julia von Lucadou.

ulrikerabe

Bekanntes Mitglied
14. August 2017
3.050
7.678
49
Wien
www.facebook.com
Buchinformationen und Rezensionen zu Die Hochhausspringerin: Roman von Julia von Lucadou
Kaufen >
Everything's gonna be okay!

Riva Karnovsky ist die Hochhausspringerin. In ihrem glitzernden Flysuit stürzt sie sich von eine kleinen Plattform in die Tiefe, erreicht elegant den Punkt, an dem es wieder aufwärts geht. Sie ist der Liebling der Massen. Bis sie eines Tages beschließt, nicht mehr zu springen. Sie wird vertragsbrüchig, zieht sich in ihre Wohnung zurück, lässt nicht einmal ihren Verlobten an sich, versäumt das Training, hält sich nicht an Bewegungs- und Ernährungsvorgaben. All das sind Vergehen in der schönen neuen Welt, in der Riva lebt. So wird die junge Wirtschaftspsychologin Hitomi Yashida beauftragt, Riva wieder in die richtige Bahn zu lenken. Alles wird aufgezeichnet, dokumentiert, analysiert. Kameras sind allgegenwärtig, die beiden Frauen begegnen sich nie persönlich.
Es ist eine Dystopie, die Julia von Lycadou in ihrem Debütroman beschreibt, die in einer gar nicht weit entfernten Zukunft stattfindet. Die Menschen werden von Kindes an gescored, je besser das Rating, umso höher die Ausbildungs- und Aufstiegschancen. Nur wer Topergebnisse hat, darf aus der stinkenden Peripherie in die Stadt upgraden. Perfekt müssen sie, sein, funktionieren, sämtliche Lebensentscheidungen werden outgesourced. Tracker regeln Bewegung, Ernährung, Schlaf. Selbst die Fortpflanzung erfolgt nicht zufällig. Um Sehnsüchte zu stillen gibt es Nostalgie Porns, Parentbots, Muttersimulationen und völlig überzeichnete Familyblogs. Wer versagt, verliert. Es ist wie der Absprung von der kleinen Plattform, ganz oben, weit über der Straße, adrenalingesteuert, der Sprung vom Hochhaus. Wer den richtigen Punkt verpasst, für den ist es vorbei. Riva hat sich für den Absprung ins Nichts freiwillig entscheiden. Hitomi gelangt in einen Strudel von Gefühlen und Abwehrmechansimen. Aus der Beobachterin wird eine Beobachtete.
Wie weit sind wir denn nun wirklich von dieser Zukunft entfernt. Leben wir nicht auch schon, nur nicht so extrem, in dieser schönen neuen Welt. Ist die Geschichte wirklich so surreal oder sehen wir schlicht und einfach uns in einem Zerrspiegel? Das Buch stellt uns nicht vor vollendete Tatsachen, denn wir können noch am richtigen Punkt kehrt machen. Everything’s gonna be okay!



 

kingofmusic

Bekanntes Mitglied
30. Oktober 2018
7.311
18.966
49
48
Danke für die tolle Vorstellung! Damit steht definitiv fest, dass ich es lesen will! Hat ein bisschen was von Orwell´s "1984"...