Ein Klick, die Blende schließt – der Startschuss zu einem neuen Leben. Mit sieben hält Amory Clay ihre erste Kamera in Händen, eine Kodak Brownie Nummer 2, und mit ihr sind alle Weichen gestellt. Amory Clay, Fotografin, Reisende, Kriegsberichterstatterin. Statt als Gesellschaftsfotografin in London zu reüssieren, lässt Amory alles Vertraute hinter sich und beginnt 1931 ein Leben voller Unwägbarkeiten in Berlin. Ein Berlin der Nachtclubs, des Jazz, der Extravaganz und Freizügigkeit – und der ersten Anzeichen von Bedrohung und Willkür.
Amory Clay, eine Frau, die ihrer Zeit weit voraus ist, die unerschrocken ihren Weg geht, ihre Lieben lebt, ihre Geschicke selbst in die Hand nimmt. Tief fühlt sich William Boyd in sie ein und versteht es glänzend, Fiktion und Geschichte miteinander zu verschränken: das ausschweifende Berlin der frühen dreißiger Jahre, New York, wo sie den Mann trifft, der alles verändert, das Paris der Besatzungszeit. Nach »Ruhelos« hat Boyd erneut eine unvergessliche Heldin geschaffen, eine verwegene, verblüffend moderne Frau, einen Künstlerroman, der das Porträt einer ganzen Epoche zeichnet.Kaufen
Kaufen >
In dem Roman „Die Fotografin – Die vielen Leben der Amory Clay“ erzählt William Boyd das Leben der Amory Clay von ihrer Kindheit im Jahr 1908 bis in ihr Alter hinein im Jahr 1978. Der Leser, der dieses Leben bei der Lektüre verfolgt und miterlebt, bekommt sehr intensiv den Eindruck, dass es sich hier nicht um bloße Fiktion handeln kann, sondern hier dokumentarisch ein wirkliches, gelebtes Leben erzählt wird. Dieser Eindruck wird vom Autor ganz bewusst bestärkt. So finden die Fotos der fotografierenden Heldin vielfach nicht nur in ihrer Entstehungsgeschichte Eingang in den Text des Romans, sondern werden dann auch gleich in etwas verwischter Qualität als Fotodokument im Text mit abgedruckt und untermauern das Gelesene als angebliche historische Wahrheit.
Amory lernt schon als Kind das Fotografieren - angeleitet und gefördert von einem Onkel - und ergreift den modernen und insbesondere für eine Frau mehr als ungewöhnlichen Beruf der Fotografin zunächst, indem sie bei adligen Londoner Gesellschaftsanlässen Fotos schießt. Wir erleben sie danach mit mehr künstlerischem Anspruch als „Skandalfotografin“ in Berliner Hurenbars, bevor es sie nach New York verschlägt, wo sie für ein Fotomagazin arbeiten kann, für das sie später auch noch die historische Situation von rechtsradikalen Straßenkämpfen in London ablichtet und dabei ernsthaft verletzt wird. In Gefahr begibt sie sich auch als Kriegsfotografin im Frankreich des 1. Weltkriegs und - nach einer privaten Auszeit in der Ehe mit ihrem Ehemann aus verarmtem schottischen Adel und nach Geburt zweier Töchter – auch in den Wirren des Vietnamkrieges. Das alles sehen wir nicht nur parallel auch in den verwischten Schwarz-Weiß-Fotografien sondern meinen es auch in den Bibliotheken der Welt nachschlagen zu können, denn über ihre Veröffentlichungen wird der Romanleser akribisch genau mit Literaturangaben zu Verlag und Erscheinungsjahr informiert.
So wurde bei mir irgendwann im Verlaufe des Romans die naheliegende Neugier geweckt, Romangeschehen mit der Realität abgleichen zu wollen. Und so befragte ich Google nach Amory Clay und erfuhr dort in einem interessanten Artikel von Peter Pisa aus dem österreichischen Kurier, dass es sich hier um eine vollkommen erfundene Biografie handelt. So wird der Leser „gut getäuscht“. Wollte ich das wirklich wissen?
<I><B> " Nein, es ist nicht erstrebenswert, vor dem Lesen von dieser Täuschung in Kenntnis gesetzt zu werden; es lässt sich aber nicht verhindern." </I></B> so Peter Pisa. Und damit hat er sehr recht. Man ist der Täuschung gerne und gut erlegen in diesem Buch. Das Täuschen kann William Boyd wirklich gut! Wohl auch nicht zum ersten Mal. Hier nochmals eine Info aus dem Artikel von Peter Pisa.
<I><B> " Sie (=Amory) ist eine Erfindung des schottischen Schriftstellers William Boyd, der so was gern macht: Einst hatte er den US-Künstler Ned Tate erschaffen.
Das war ein derart guter Streich, dass die New Yorker Szene schon drauf und dran war, den angeblich zu Unrecht in Vergessenheit geratenen Expressionisten neu zu bewerten." </I></B>
Net Tate war ein Malergenie – aber eben eine Erfindung.
Täuschung und Erfindung ist also der Trick und das Spiel, das William Boyd hier mit dem Leser spielt. Und das tut er so atemberaubend gut, dass ich die Lektüre von „Die Fotografin“ nur empfehlen kann. Erliegen Sie diesem Spiel und tauchen Sie ein in eine packende Biografie, die es eben nur leider nie gab. Aber wer erwartet das schon bei fiktionaler Literatur? Also: Lesen! – 5 Sterne
Lesern von "Die Fotografin: Die vielen Leben der Amory Clay" gefiel auch...
Deadline: Wie man besser...
von: Constantin Seibt
Ein Tag wird kommen (...
von: Giulia Caminito
Der Traum der roten Kammer...
von: Franz Kuhn