Rezension Rezension (5/5*) zu Die Farbe von Milch: Roman von Nell Leyshon.

ulrikerabe

Bekanntes Mitglied
14. August 2017
3.050
7.678
49
Wien
www.facebook.com
Mein Name ist Mary

Es sitzt eine junge Frau an einem Fenster und schreibt. Ist es ein Brief, ein Tagebuch? Man merkt wie schwer es ihr fällt, Worte zu finden. Erst seit kurzem kann sie lesen und schreiben. Man spürt, dass eine große Last auf ihr liegt. Die Schreiberin ist die fünfzehnjährige Mary. Wir schreiben das Jahre 1831. Mary berichtet von ihrem Leben, vom Aufwachsen auf einem kleinen Hof, von der schweren Arbeit, vom strengen, zornig brutalen Vater. Vom Großvater, der seine Beine nicht mehr gebrauchen kann, und für den sie ein großes Herz hat. Von den Schwestern, der Kuh, die sie in bitterer Kälte melken muss. Sie hat ein von Geburt an krummes Bein und ein loses Mundwerk. Eines Tages bringt sie der Vater zum Pfarrhaus, wo sie sich von nun an um die Kranke Frau des Pfarrers kümmern soll. Doch als diese verstirbt, nimmt ihr Leben eine neue dramatische Wendung.
Es sind wirklich oft die schmalen Bücher, die eine so radikale Wirkung erzeugen. Wie dieses Buch. Die Farbe von Milch ist das Zeugnis eines kurzen harten Lebens. Mary ist als Frau völlig entrechtet, der Willkür zunächst des Vaters, dann des Pfarrers ausgesetzt. Es geht sehr tief ins Herz. Mary die keine Schule besuchen konnte, verfügt über so wahrhaftige Lebensweisheit. Sie nimmt sich kein Blatt vor den Mund, was sie sieht und fühlt, das spricht sie aus. Für ein bisschen Bildung muss das Mädchen einen sehr sehr hohen Preis zahlen.
Die Farbe von Milch ist ein Buch, das mich so bald nicht loslassen wird. Ein ungemein eindrucksvolles Werk, das Nell Leyshon vorgelegt hat.