Rezension (5/5*) zu Die Dringlichkeit der Dinge von Markus Grundtner

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28. Oktober 2018
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Wienerin auf Rügen
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Originell, lesenswert

„Ich hasse Gedanken, die ohne jegliche Rechtsgrundlage von meinem Kopf Besitz ergreifen und sich auch noch als dessen Eigentümer aufspielen Es ist Zeit, die wahren Besitz- und Eigentumsverhältnisse an meinem Kopf zu klären (Zitat Pos. 85)

Inhalt
Mag. Mathias Gandt, siebenundzwanzig Jahre alt, hat sein Jus-Studium erfolgreich beendet und sich bei einer angesehenen Wiener Rechtsanwaltskanzlei beworben. In zwei Jahren kann er zur Anwaltsprüfung antreten und genau so steht es auf seiner Liste der drei K für die nächsten fünf Jahre: Kanzlei, Karriere, Kind, in dieser Reihenfolge, ein geordneter Ablauf. Doch dann tritt vor dem offenen Bücherschrank am Wiener Margaretenplatz Klaudia Antonini in sein Leben. Nach dreizehn enttäuschenden Jahren in Wien ist die temperamentvolle Italienerin auf dem Weg zurück nach Triest. Doch mit Mathias, der sein Leben nach juristischen Grundsätzen organisiert, wagt sie einen Neubeginn in Wien und fügt den drei K ein viertes K hinzu: K wie Klaudia, wobei sie es mit der Reihenfolge nicht so genau nimmt.

Thema und Genre
In diesem Roman geht es um Wendepunkte im eigenen Leben, Neubeginn, Beziehungen, Lebensplanung, und dazu eine gute Portion an juristischen Themen wie Sachenrecht, Mietrecht, Vertragsrecht und den beruflichen Alltag von Rechtsanwälten.

Charaktere
Mathias ist ein von den Paragrafen überzeugter Jurist und ordnet auch seine Alltagsprobleme nach juristischen Denkmustern. Klaudia handelt spontan, erklärt wortreich, was sie will und was nicht. Mathias sucht die drei K, sie die 3 L: Liebe, Literatur, Lehre.

Handlung und Schreibstil
Die Geschichte spielt in der Gegenwart, Ort der Handlung ist Wien. Die Hauptfigur Mathias ist der Ich-Erzähler. Seine erste richtige Anstellung als Konzipient, nicht mehr nur als Praktikant wie während seines Jus-Studiums, ist ein wichtiger Schritt auf seinem genau geplanten Weg zum Rechtsanwalt. Zwischen den sachlichen Formulierungen der Gesetzestexte fühlt er sich wohl und sicher und er erwartet, dass dieses Jahr, der Zeitraum der Handlung, ebenso strukturiert ablaufen wird. Diese Hauptfigur lässt der Autor auf eine temperamentvolle, spontane Italienerin mit einem Universitätsabschluss in Literatur treffen. Es sind diese Gegensätze, welche die Stärke dieser Geschichte ausmachen, originell, ungewöhnlich und dennoch charmant, und mitten aus dem Leben unserer Zeit gegriffen. Die Sprache verpackt sogar einen Ausflug in eine breite Palette von Rechtsformen und betitelt die Überschriften als Paragrafen mit jeweils einem treffenden Stichwort.

Fazit
Neugierig und gespannt folgt man den beiden Hauptfiguren. Gegensätze ziehen sich an, sagt ein Sprichwort, aber können solche Gegensätze in eine funktionierende Beziehung führen? Ein amüsantes, interessantes Buch, eine originelle Geschichte auch für Lesende ohne besondere juristische Vorkenntnisse. Für mich eine Entdeckung auf der österreichischen Longlist 2022, die mich überzeugt hat.



 

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