Rezension Rezension (5/5*) zu Die Detektive vom Bhoot-Basar von Deepa Anappara.

kingofmusic

Bekanntes Mitglied
30. Oktober 2018
7.311
18.968
49
48
Der indische Emil

„Ich habe das Gefühl, als wären tausend Schmetterlinge in meiner Brust. Was ist ein ganzes Leben? Wenn du als Kind stirbst, ist dein Leben dann ganz oder halb oder gar nichts?“ (S. 371)

Dieser Satz kurz vor Ende des Romans „Die Detektive vom Bhoot-Basar“ von Deepa Anappara hat mich förmlich „angesprungen“, als wenn er nur darauf gewartet hätte, als Zitat in meiner Rezension zu landen *g*.

In ihrem literarischen Debüt erzählt die in Indien geborene und jetzt in England lebende Journalistin von einem weit verbreiteten „Phänomen“ in Indien: dem spurlosen Verschwinden von Kindern aus (zumeist) armen Familien, die in üblen Slums mit mehreren Personen auf engstem Raum leben müssen, während ein Steinwurf entfernt Prunk und Protz regieren.

Als im Basti (Siedlung, Armenviertel) von Jai, Faiz und Pari immer mehr Kinder verschwinden, machen die drei sich auf die Suche nach ihnen. Doch das Schicksal meint es nicht gut mit den „Hobbydetektiven“…

Jai, der gerne „Police Patrol“ im Fernsehen guckt und seine Freunde geben trotz aller widrigen Um- und Widerstände der Erwachsenen in ihrem Umfeld nicht auf, die anderen Kinder zu suchen. Dabei begleitet die geneigte Leserschaft die drei durch eine indische Großstadt, die nicht näher verortet ist. Letztlich ist es jedoch auch egal, in welcher Stadt es spielt – der Kern der Geschichte basiert auf Tatsachen. Und das es überhaupt passiert, ist schlimm genug.

Während Jai und Co. mutig durch die Stadt fahren und durch den Basar laufen, riecht und schmeckt man den tiefhängenden Smog, der die Sicht einschränkt und krankmacht, die Gerüche und Gerichte der Straße und des Basars, man hört den Lärm der Millionen von Autos, die schreienden Kinder und Händler – unglaublich, mit welcher Intensität Deepa Anappara hier erzählt. Das kann aber trotzdem nicht von dem Schicksal der verschwundenen Kinder ablenken und das ist auch gut so!

Immer wieder flechtet die Autorin auch die rassistischen und religiösen Konflikte der Bewohner des Bastis in ihre Geschichte ein, zeigt die Korruption der Polizei und die Haltung der Reichen, die sich in ihre eingezäunte Siedlung „flüchten“ und „das Elend“ aussperren. Widerlich und verlogen – in meinen Augen.

„Glaub mir […]. Heute oder morgen – eines Tages verlieren wir alle jemanden, der uns nahestand und den wir liebten. Glücklich sind diejenigen, die alt werden in der Überzeugung, dass sie Kontrolle über ihr Leben haben, aber auch sie werden eines Tages erkennen, dass alles ungewiss ist und man irgendwann für immer verschwindet. Wir sind nur Staubkörner in dieser Welt, leuchten einmal kurz in der Sonne auf, und dann verschwinden wir im Nichts. Du musst lernen, deinen Frieden damit zu machen.“ (S. 377)

Ausgestattet mit einem umfangreichen Glossar der meisten im Buch vorkommenden indischen Begriffe und einem persönlichen Nachwort der Autorin endet dieser Roman.

Ein beeindruckendes Debüt und eines der absoluten Highlights in diesem Jahr!

5* und absolute Leseempfehlung!

©kingofmusic


 

Literaturhexle

Moderator
Teammitglied
2. April 2017
19.444
49.885
49
Schön, Schön, lieber King!
Ich habe es ja mal mit dem Hörbuch versucht. Ohne Glossar und Namensregister könnte ich durch die Pausen nicht folgen. Nachteil des Hörens:(
Aber das Buch steht bereit und du machst es wirklich schmackhaft!
(Die Buchzeit aus Frankfurt hat auch sehr positiv im TV darüber diskutiert)
 

kingofmusic

Bekanntes Mitglied
30. Oktober 2018
7.311
18.968
49
48
Schön, Schön, lieber King!
Ich habe es ja mal mit dem Hörbuch versucht. Ohne Glossar und Namensregister könnte ich durch die Pausen nicht folgen. Nachteil des Hörens:(
Aber das Buch steht bereit und du machst es wirklich schmackhaft!
(Die Buchzeit aus Frankfurt hat auch sehr positiv im TV darüber diskutiert)
Merci, Madame! Viel Spaß beim lesen :).
 

Emswashed

Bekanntes Mitglied
9. Mai 2020
2.733
9.772
49
Seit "Bombay- Maximum City" von Suketu Mehta, brauche ich ab und an das Gefühl von überwältigendem Gedränge, herzzereißender Armut gepaart mit unermeßlichem Reichtum. Habe bisher den Hunger mit Aravind Adiga stillen können, aber dieses Buch scheint dazuzugehören.