Rezension (5/5*) zu Der Galgentänzer von Thomas Binder

Test-LR

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13. Mai 2021
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Ein "Jaunerleben" im Schwarzwald

Gestaltung:
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Das Cover mit der alten Hütte auf dem Hügel im Schwarzwald wirkt sehr stimmungsvoll. Als handliches Hardcover ist das Buch sehr wertig verarbeitet und macht Lust aufs Lesen.

Inhalt:
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In Form einer Romanbiografie stellt der Autor das Leben des Räubers Johann Baptista Herrenberger, genannt "Konstanzer Hans" dar. Er lebte Ende des 18. Jh. im Schwarzwald und war schon zu seinen Lebzeiten eine Legende.

Mein Eindruck:
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Das Buch hat mich von Anfang an begeistert.
Eine alte Karte des Schwarzwalds zu Beginn des Buches sorgt für die richtige Einstimmung. Der Sprachstil besteht aus recht kurzen Sätzen, die alle im Präsens gehalten sind. Dies ist ungewöhnlich für einen historischen Roman, aber dadurch wird man direkt in die Zeit hinein katapultiert. Obwohl mit wenig Dialogen und direkter Rede gearbeitet wird, genügen die Beschreibungen der Gedanken von Hans sowie der Umgebung, um in die Handlung einzutauchen und von ihr gefesselt zu werden.

Sehr gut gefielen mir die Einschübe über die reale Historie, die das zuvor Erzählte sehr gut ergänzen. Sie vermitteln dem Leser einen guten Einblick in das Alltagsleben der damaligen Zeit, die Verfolgung und Behandlung von Verbrechern und das Leben anderer Räuber. Dabei fügen sich diese Einschübe perfekt in die Geschichte ein und durch viele anschauliche Beispiele wird es nie langweilig. So hätte ich mir Geschichtsunterricht gewünscht!
Besonders authentisch wirkte das Geschehen, da der Autor ab und an die Dialoge im Jenischen (typ. Sprache der Räuber) verfasst hat. Die Übersetzung sowie nicht geläufige Begriffe werden in Form von (wenigen) Fußnoten direkt am Seitenende aufgeführt, sodass man nicht blättern muss und der Lesefluss nicht gestört wird.

Der "Konstanzer Hans" ist ein gutes Beispiel dafür, wie die gesellschaftlichen Umstände einen Menschen auf den falschen Weg führen konnten. Er hätte mehrere Möglichkeiten gehabt, auf den "rechten Pfad" abzubiegen, doch meistens wurden ihm extern Steine in den Weg gelegt oder die Versuchung war doch zu groß. Er war ein Mensch, der mir von Beginn an sympathisch war, weil er ein gutes Herz hat und sehr klug ist. Ich habe oft mitgefiebert und habe ihn teilweise bewundert, wie er aus kritischen Situationen wieder heraus gekommen ist. Dennoch zeigt seine Entwicklung zeitweise auch nicht so schöne Seiten an ihm bzw. es ist manchmal schwer, sein Verhalten aus heutiger Sicht nachzuvollziehen. Das Ende war sehr ungewöhnlich und zeigt erste Wendungen in seinem Leben, aber auch für den generellen Umgang mit Verbrechen und Tätern in Deutschland.

Fazit:
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Eine sehr spannende und aufschlussreiche Romanbiografie über einen Räuber im Schwarzwald und seine Zeit!