Rezension Rezension (5/5*) zu Der Attentäter: Historischer Thriller von Ulf Schiewe.

parden

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13. April 2014
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Niederrhein
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Buchinformationen und Rezensionen zu Der Attentäter: Historischer Thriller von Ulf Schiewe
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So macht Geschichtsunterricht Spaß!


Wer meine Lesegewohnheiten kennt, der weiß, dass historische Romane nicht unbedingt zu meinen bevorzugten Genres gehören. Thriller allerdings schon. So wagte ich es denn, zu diesem hochgelobten historischen Thriller zu greifen, der beide Genres vereint. Und sollte für meinen 'Mut' belohnt werden.

Die Geschichte ist bekannt: Franz Ferdinand, der Thronfoger Östereich-Ungarns, wurde in Sarajevo ermordet - und kurz darauf brach der Erste Weltkrieg aus. Das Attentat war nicht die Ursache für den Kriegsbeginn, aber sehr wohl der zündende Funke, der den Kriegstreibern einiger Nationen sehr zupass kam.

Doch um den Ersten Weltkrieg geht es hier nicht, sondern um das Attentat selbst und die sieben Tage davor. Erzählt wird dabei aus drei verschiedenen Perspektiven:

  • der der Gruppe um die Attentäter, allen voran Gavrilo Princip, einem jungen Nationalisten, der letztlich den Mordanschlag auf Franz Ferdinand und seine Frau verübte
  • der von Franz Ferdinand und seiner Ehefrau Sophie
  • der von der fiktiven Figur Major Rudolf Markovic, der beim Geheimdienst arbeitet und fieberhaft versucht, das Attentat zu verhindern.

Gerade diese ständigen Perspektivwechsel machen die Erzählung ausgesprochen lebendig. So gewinnen alle Beteiligten nach und nach an Profil, man entdeckt die Menschen hinter den meist so anonymen Namen der Geschichtsbücher.

Der Einblick in das Familienleben des Thronfolgers beispielsweise lässt selbst die Aristokratie nicht unnahbar erscheinen - auch wenn Franz Ferdinand selbst wohl überall recht unbeliebt war aufgrund seines oft unbeherrschten Auftretens und seiner vollkommen übertriebenen Jagdleidenschaft. Aber auch die Attentäter selbst erhalten nachvollziehbare Biografien, die manches Verhalten wenn schon nicht tolerierbar, so doch zumindest eher verständlich erscheinen lassen. Parallelen zum verblendeten Fanatismus heutiger Selbstmord-Attentäter sind dabei nicht von der Hand zu weisen.

Die fiktive Figur des Major Rudolf Markovic bietet in dem reich mit Charakteren bestückten Roman wohl am ehesten die Möglichkeit einer Identifikation für den Leser. Sein Schicksal ist es denn auch, das einen bangen lässt, denn die Schicksale der anderen (ehemals realen) Personen sind ja hinlänglich bekannt. Eine gelungene Mischung aus Fakten und Fiktion ist Ulf Schiewe hier geglückt, wodurch trotz bekannten Ausgangs Spannung aufkommt und sich am Ende sogar noch steigert.

Dem Roman ist in jedem Absatz anzumerken, wie intensiv und sorgfältig hier recherchiert wurde - von den groben bekannten Fakten bis hin zu den ganz kleinen Details, die sehr zu einer authentischen Atmosphäre beitragen. Der Roman ist unterteilt in Abschnitte, die jeweils einen Tag umfassen. Eingefügt in die Ereignisse wurden dabei auch kurze Ausschnitte aus damaligen Zeitungsartikeln, die den Zeitgeist dieser unruhigen Epoche gut dokumentieren.

Das Buch lässt sich flüssig lesen, auch wenn mir gerade zu Beginn der Kopf rauchte von all den Namen - v.a. bei Serben und Bosniern. Aber zum besseren Überblick befindet sich am Ende des Buches sowohl ein Namensverzeichnis als auch ein Glossar, das die wesentlichen altertümlichen oder zumindest möglicherweise unbekannten Begriffe erläutert. Dies empfand ich als sehr hilfreich, ebenso wie die in die Klappbroschur eingedruckte historische Karte von Sarajevo.

Alles in allem kann ich abschließend nur sagen: So macht Geschichtsunterricht Spaß!


© Parden


 

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