Rezension Rezension (5/5*) zu Der Attentäter: Historischer Thriller von Ulf Schiewe.

Anjuta

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8. Januar 2016
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Buchinformationen und Rezensionen zu Der Attentäter: Historischer Thriller von Ulf Schiewe
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Geschichte als Roman

Ulf Schiewe hat in seinem “historischen Thriller” „Der Attentäter“ Geschichte für mich wirklich erlebbar machen können und mir bei der Lektüre einen neuen, sehr lebendigen Zugang zu einem bekannten Stück Historie ermöglicht. Als studierte Historikerin habe ich immer etwas Probleme mit historischen Romanen, denn nie weiß man so richtig, auf wie dünnem Eis man sich befindet, was man nur glauben muss, was wirklich belegt ist. (Anmerkung: Was zugegebenermaßen auch auf vermeintlich wissenschaftliche Veröffentlichungen zutrifft). Hier habe ich mich wohlgefühlt, auf jeder Seite strahlt den Leser die Tiefe und Breite der Recherche des Autoren entgegen, und ich konnte mit einem guten Gefühl dem Geschehen folgen und daraus ein Verstehen der Umstände, Situationen und Gefühlslagen entwickeln.
Im Rahmen einer Leserunde von Whatchareadin konnte ich dieses Buch lesen und im Leserundenchat sogar mit dem Autor selbst diskutieren und drängende Fragen stellen.
Nun zum Geschehen: Was passiert? Der „Titelheld“ – „Der Attentäter“ – das ist Gavrilo Princip, der im Juni 1914 aus Motiven serbischen Nationalismus heraus nicht nur den österreichischen Thronfolger in Sarajewo erschoss, sondern auch den letztendlichen Anlass für den 1. Weltkrieg gegeben hat. Der also an diesem Tag, in dieser Sekunde einen erheblichen Einfluss auf die Geschichte unserer eigenen Ahnen und Familien nahm. Der Leser kann Gavrilo auf seinen Stationen über die letzten Tage vor dem geplanten Attentat genauso verfolgen wie das spätere Opfer – Erzherzog Franz Ferdinand. Die gesamte Lektüre über kann sich der Leser dabei sicher sein, dass das Attentat tatsächlich stattfinden wird, denn das ist Historie, die weit bekannt ist. Und dennoch: Der Leser erlebt, an wie vielen seidenen Fäden dieser Ausgang der Geschichte hing und wie oft das Geschehen noch hätte gestoppt und in eine ganz andere Richtung hätte verlaufen können. Gleichzeitig erlebt der Leser auch die Beschränktheit der Mittel insbesondere im Hinblick auf Kommunikation und Mobilität mit, die erheblichen Einfluss auf die Planung, die Gegenmaßnahmen und die Ausführung der Tat genommen hat.
Der Roman erzählt dabei keine Geschichte in historischem Gewand und mit einigen historischen Personen und historischem Ambiente. Nein, er erzählt in Romanform Historie, wie sie wirklich war (soweit rekonstruierbar). Er bleibt - wann immer möglich – sehr dokumentarisch und ergänzt das rekonstruierbare Geschehen nur in einigen Aspekten und Personen um Fiktives, um es verstehbarer und anschaulicher zu machen. Mich erinnerte diese Form des Romans an Fernsehformate, in denen wann immer möglich dokumentarische Filmschnipsel schwarz-weiß flimmernd über den Bildschirm geschickt werden und nur da, wo dieses dokumentarische Material nicht verfügbar ist, möglichst ähnlich aussehende und agierende Schauspieler dafür genutzt werden, historische Szenen möglichst getreu dem Geschehen nachzuspielen.
Mich hat diese Herangehensweise im Roman sehr überzeugt und ich würde mich immer wieder gern Ulf Schiewe lesend anvertrauen, um Einblick in andere Geschichten der Geschichte zu erhalten. 5 Sterne!


 
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